Autograf: Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg Frankfurt am Main (D-F), Sign. Mus. Autogr. A. Schmitt A 155

Seiner Wohlgeboren
Herr Kapellmeister L. Spohr etc. etc.
in
Cassel.
 
fro.
 
 
Frankfurt den 12ten August 1849.
 
Hochverehrter Freund!
 
Ihr lieber Brief, der so viel Schönes und daher für mich so viel Erfreuliches enthielt, hat so manche Gedanken und Wünsche in mir erregt u. hervorgerufen, daß ich es nicht lassen kann, abermals an Sie zu schreiben und Sie en bischen in meine HerzensKammer lugen zulassen.
Um den Plane: diesen Winter nach Rußland zu gehen und den Winter dort zu zu bringen, wieder etwas abzukommen, handelt sich‘s nun - da ich unter keinen Umständen sitzen und hocken zu bleiben willens bin – wohin den Wanderstab setzen? Nun freilich wäre es – ich möchte fast sagen „undankbar“ von mir, wollte ich in diesem Augenblick eine anderweitige Verfügung über meinen künftigen Winter freffen, indem man aller Wahrscheinlichkeit nach in diesem Augenblick in Petersburg alle Einleitung und Vorbereitung zu meinem Hinkommen trifft; Aber da auch dort es politisch nicht so recht geheuer sein soll, so dürfte ich, müßte vosichtig sein mit solchen Reiseprojekten. Indessen, weiß u. kenne ich das Sprichwort: „der Mensch denkt, und Gott lenkt“ aber das Vorsehen – kann ich doch nicht lassen, und muß dieß, meiner eigenen Beruhigung willen, thun. Des Lebens Schachspielzüge sollen und dürfen nicht so ganz zufällig sein u. so viel mir möglich vorgesehen werden, und sollte es am Ende auch heißen: dem König u. der Königin Schach! - und am Ende: Schach und matt „so weiß ich mich denn auch Ihnen zu fügen u. zu finden. Nur thun und handeln!
Bei so viel ernsten und drückenden Gedanken, die jetzt wohl einem Jeden aufsteigen mögen – denn wen sollte diese jetzige Zeit nicht tiefes Nachdenken u. große Besorgnisse einflößen? - war es mittlerweile, nach dem ich Ihren lieben Brief erhielt, ein schöner Gedanke u. ein recht reger Wunsch: Sie dort in Cassel bald wieder einmal zu besuchen, um Ihnen bei diser Gelegenheit so manches Neue hören zu lassen. Aber es sind nur Wünsche und goldne Luftschlösser, und Sie werden mir aufrichig – wie Sie ja sind – sagen: ob‘s geht u. die Zeit dazu passend? Mein „Ruth“ von dem ich Ihnen geschrieben, und unter anderm – auch ein ganz neues Clavierconcert möchte ich Ihnen wohl hören lassen. Und da ich das Ruth erwähne, so ist dieß Pastoraloratorium erstens klein, und füllt nicht ganz einen Abend, so – daß ein Clavierconcert füglich voran gehen kann, ohne den Abend über die Gebühr zu verlängern. Ferner ist es wohl eines der Leichtesten in dieser Gattung, und – auch von Liebhaber-Gesangvereinen ganz leicht aufzuführen ohne vieler Proben benöthiget zusein. Auch das Orchester ist weder schwer noch stark. Posaunen u. schwer Geschütz ist gar nicht dabei, welches die Art das Stoffes – da er eine Stille(???) - meines dafür haltens – wohl bedingt. Nun käme es nur darauf an, ob dort ein Gesangverein sich dazu versteht? Jedenfalls hielt ich es für gut u. zweckmäßig, diese Bitte und frage beizeiten an Sie zu richten, bevor schon anderweitiges gewählt u. bestimmt ist. Daß ich dieß Oratorium ausgeschrieben u. alles dazu(?) besitze, versteht sich von selbst, so wie ebenfalls meine Symphonien u. Orchesterwerke.
Der Gönner u Freund, dächte ich, sollten sich dann auch Manche finden, die es mit Wort u. That unterstützen, wenn erst eine Anregung statt findet, welches freilich einne Hauptsache wäre. Ihnen, Ihrer Güte u Freundschaft sei und bleibe alles überlassen. Kurz, realisirte sich dieser Wunsch, so sollte mich es herzlich freuen.
Mein Sohn, Georg Aloys, kömmt nach Würzburg als Director an das Theater dort. Daß ein junger Mann so früh wie nur möglich in‘s praktische Leben trete, dafür bin ich sehr, obgleich ich ihn fort reißen(?) werde, denn in jeden u. allen Beziehungen ist er wirklich ein ausgezeichneter Mensch von seltenen Gaben u. Eigenschaften. Der beste Sohn ist er gewiß.
Käme ich zu Ihnen, so würde ich auch wieder einige neue Claviertrios mit bringen.
Ihrer hochverehrten Frau Gemahlin meinen besten Empfehl. Ich – bin jetzt Strohwittwer, da meine Frau im Anstande ist mit meiner Tochter Josephine. Daß ich Großvater bin, u. mir mit einem kleinen Enkel (Engel)1 ein Himmel voll neuer ungeahnter(?) Freuden aufging, wird Sie nicht wundern, da Sie(?) diese Freuden schon kennen.
Ihr Sie hoch und innig verehrender
 
Freund Aloys Schmitt.

Autor(en): Schmitt, Aloys
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Schmitt, Augusta Carolina
Schmitt, Georg Alois
Schmitt, Josephine
Erwähnte Kompositionen: Schmitt, Aloys : Konzerte, Kl Orch, fis-moll
Schmitt, Aloys : Ruth
Erwähnte Orte: Kassel
St. Petersburg
Erwähnte Institutionen: Stadtheater <Würzburg>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1849081245

Spohr



Dieser Brief ist die Antwort auf Spohr an Schmitt, 30.07.1849. Spohr beantwortete diesen Brief am 02.09.1849.

[1] Hier gestrichen: „hier“.
 
Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (22.02.2018).