Autograf: letzter Nachweis Kat. Erasmushaus 844, 1987
Vorlage: Computerdatei von Herfried Homburg († 2008)

Sr. Wohlgeb.
Herrn Organist
J. F. Schwenke
Hamburg


Cassel den 7ten August
1849.

Geehrter Freund,

Es hat mich, als ein Zeichen Ihrer Theilnahme, herzlich erfreuet, daß Sie des Tages gedacht haben, an welchem ich vor 50 Jahren mein erstes Anstellungsrescript erhalten habe.1 Hier hatte im Drange der großen politischen Ereignisse weder einer meiner Freunde, noch jemand von meiner Familie, noch ich selbst des Tages gedacht und er würde für uns als unbemerkt vorübergegangen seyn, hätte ich nicht Abends vorher ein Gratulationsschreiben2 von Hrn. Organist Stolze in Celle erhalten. So konnte ich ihn doch durch eine Rückerinnerung an mein vielbewegtes, im Ganzen von Glück sehr begünstigtes Leben feiern, wozu mir am Abend spät dann noch Ihr sehr lieber Brief interessante Beyträge brachte. Empfangen Sie meinen herzlichsten Dank für Ihren freundlichen Glückwunsch und die schönen Festgaben. Ihre Cantate habe ich sogleich durchgesehen; sie gefällt mir in ihrer einfachen Würde sehr. Ich lasse sie so eben ausschreiben und werde sie dann sogleich mit meinem Cäcilien-Verein einüben und in unserer Hauptkirche, wo eine gute Orgel ist, zur Aufführung3 bringen. Über den Erfolg gebe ich Ihnen dann weitere Nachricht.
Seit der Märzrevolution des vorigen Jahres habe ich nichts Neues geschrieben. Meine Theilnahme daran war zu groß, als daß ich mich hätte zu einer musikalischen Arbeit sammeln können! Indessen hatte ich kurz vorher einige neue Kompsitionen beendigt, die nun hier bey Luckhardt in Stich erschienen sind, nämlich ein 4tes Doppelquartett, ein Sextett für 2 Violinen, 2 Violen und 2 Violoncell und das 31ste Violinquartett. - Jetzt drängt es mich wieder von neuem zur Arbeit und ich werde wohl zunächst ein Septett für Pianoforte mit Begleitung von Streich- und Blasinstrumenten schreiben.
Leben Sie recht wohl. Die herzlichsten Grüße an die lieben Ihrigen. Mit wahrer Freundschaft stets ganz

der Ihrige
Louis Spohr

NS. Da unsere Kirche sehr groß ist, so wäre es gut, wenn ich zur Aufführung Ihrer Cantate auch noch alle anderen hiesigen Gesangvereine aufbiethen könnte. Dazu wird es mir aber an Gesangstimmen fehlen. Ich frage deshalb an, ob Sie mir noch eine Parthie Gesangstimmen, so wie Ihre Originalpartitur für unsere Aufführung borgen könnten?, damit der Organist4 dann aus dem Exemplar spielen könnte, welches ich Ihrer Güte verdanke. Eine bald gefälligen Benachrichrigung hierüber sehe ich entgegen.



Dieser Brief ist die Antwort auf Schwencke an Spohr, 30.07.1849. Schwencke beantwortete diesen Brief am 11.08.1849.

[1] Spohr erhielt das Anstellungsreskript als Kammermusikus der Braunschweiger Hofkapelle am 02.08.1799.

[2] Noch nicht ermittelt.

[3] Diese Aufführung fand am 21.09.1849 in der Kasseler Martinskirche statt (vgl. Schwencke an Spohr, 23.09.1849).

[4] August Rosenkranz (vgl. ebd.).

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Wolfram Boder (11.12.2018).