Karoline Eisenhofer an Louis Spohr in Kassel

Hochverehrter Herr Kapellmeister!

Verzeihen Sie, wenn ich Sie mit gegenwärtigen Zeilen an einem Orte inkommodiren sollte, den Sie sich zur Erholung von langen Mühen und Strapazen gewählt haben; ein gute Theil muß schon unser Direktor Hauser verantworten, der mich versichert, daß in theatralischen Angelegenheiten oft Augenblicke entschiedend sind; um also von meiner Seite nichts zu versäumen, nehme ich mir hier die Freiheit Ihnen mein Anliegen anzutragen. Ich verlasse in einigen Wochen das hiesige Kgl. Konservatorium, an dem ich durch drei Jahre der Ausbildung im Gesang und Theatralischer Studien oblag. Ich habe in dieser Zeit mehrere Partien einstudirt und zum Auftreten eingespielt, theils einige vorstudirt in denen ich ebenfalls mit einigen Nachstudium aufzutreten im Stande wäre. Unter den Ersten wäre: Donna Anna¹, Jessonda, Norma, Agathe², Königin der Nacht oder Pamine³, Gräfin in Figaros Hochzeit oder Susanne und Isabella in Robert. Vorstudirt habe ich die Valentine (Hugenotten) Rosina im Barbier, Gräfin in Wasserträger⁴, Julia in Romeo u. Julia⁵. Sollte sich nun das Gerücht bestätigen daß die Stelle, früher durch Frl. Walter besetzt, bisher noch vacant wäre, und Sie, verehrter Herr Kapellmeister mir einigermaßen so viel Fähigkeit zutrauen auf dem churfüstlichen Theater einige Versuche zu machen, so wäre ich gern bereit jeden Augenblick⁵ den Sie mir gütigst bestimmten, nach Kassel abzureisen. Es wird mich sehr glücklich machen, wenn Sie mir, verehrter Herr Kapellmeister, in wenigen Zeilen anzeigen, ob ich einige Hoffnung nähren darf unter Ihrer Leitung meine theatralische Laufbahn zu beginnen, um mir das zu erwerben, was nur praktisch auf den Brettern möglich ist. Ihrer gütigen Entgegnung sehnlichst harrend, zeichne ich in aller Verehrung und Ehrerbietung

Ihre
ergeblichste Dienerin
Karoline Eisenhofer.
Fürstenstrasse im gold Löwen
über d. Stiegen.

München am 2^ten Juli 1849.