Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

Sr. Wohlgeb.
Herrn Capellmeister Dr. L. Spohr
Cassel.

Anbei ein Paket
mit Musikalien
bezeichnet mit H.L.Sp.

franco.1


Sondershausen, am
3. Junius 1849.

Hochgeehrter Herr!

Vor Allem sage ich Ihnen im namen unseres Musikvereines den herzlichsten Dank für die gütige Übersendung der von uns gewünschten Musikalien. Wir haben natürlich sofort die Sachen copiren lassen und von denselben schon das Octett mit Blasinstrumenten zur öffentlichen Production gebracht. Es gehören dazu allerdings, wie Sie auch in Ihrem werthen Schreiben richtig bemerkten, ein paar tüchtige Hornisten, doch wurden diese auch durch unsere rühmlichst bekannten Mayer u. Hartung sehr gut vertreten, und ich kann Ihnen versichern, dass wir unserer Gesellschaft durch dieses Werk einen unvergesslichen Genuß bereitet haben. Ihr alter Freund, der verstorbene Capellmeister Hermstedt, hatte wie mir noch an jenem Abende erzählt wurde, dieses Werk auch einmal zur Aufführung bringen wollen, war aber auf Klippen gestoßen, die nicht zu überwältigen gewesen waren. Wahrscheinlich haben diese auch in den Hornisten ihren Grund gefunden. So viel Musikfreunde und wahre Musikkenner sich an dem Tage der Aufführung eingefunden hatten, so hätte ich mir noch Einen herbeiwünschen mögen; und wen sollte ich wol da anders meinen als Sie, der auch gewiss unsere Leistung nicht ganz missfällig aufgenommen haben würde.
Auch das Septett haben wir im Laufe dieser Woche probirt, bietet aber, wenn ich aufrichtig sprechen soll, nicht die Schwierigkeiten dar, wie das Octett, indem wir es eben bei der Correctionsprobe ziemlich glücklich durchgeführt haben. Natürlich werden wir es später noch recht ordentlich durchnehmen, um auch dieses Werk bei öffentlicher Aufführung in gewohnter Sicherheit zu Tage zu fördern.
Ihr drittes Doppelquartett, welches wir spielten, als wir gleichsam den Grundstein zu unserm Musikverein legten wie auch die beigelegte Recension2 bekundet, wird zum nächsten Male auf den Wunsch aller unser Theilnehme executirt.
Nun auch ein Wort über meine jetzigen Verhältnisse, das Sie hoffentlich nicht ungünstig aufnehmen werden, da Sie ja es waren, der aus edler Uneigennützigkeit so viel Gutes an mir that und auf meine Stellung einen so wesentlichen Einfluß äußerte. Meine Lehrerstelle bekleide ich noch immer mit gewohnter Lust und regem Eifer, habe aber gleichzeitig auf der Geige so fleißig fortgearbeitet, dass ich den zweiten Platz im Orchester erlangt habe und sofern unser Uhlrich abgehalten ist, dessen Geschäft als Vorgeiger übernehme.
Schließlich noch eine Bitte, die ich im Namen des Musikvereins mir auszusprechen erlaube. Sollten nämlich noch derartige Werke von Ihnen erschienen sein, oder sollten Sie etwas Anderes, für unsern Zweck passend besitzen, so bitten wir Sie, uns diese Sachen doch wieder gefälligst zukommen zu lassen. Unser Verein besteht aus 18 wirkenden Mitgliedern; läßt sich als schon Etwas leisten und namentlich können wir auch größere Sachen für harmoniemusik zur Aufführung bringen.
Dabei ersuche ich Sie gleichzeitig, mir von Ihrem Potpourri für Cello u. Geige (op. 64) die Cellostimme gefälligst zu übersenden, um sie eiligst copiren zu lassen. Die Stimme ist mir abhanden gekommen und ich beabsichtige, mit meinem Cellospieler3, dieses Stück in einem der nächsten Lohconzerte zu spielen.
So eben bin ich fertig und ich kleide mich an, um zum Lohconzerte zu gehen. Auch hier gilt heute Ihr gefeierter name, denn Ihre C Moll Symphonie4 kommt zur Aufführung.
Indem ich auch jetzt hoffe, dass Sie mein Schreiben gütigst entschuldigen und meine Bitte womöglichst bald erfüllen werden, bin ich mit der aufrichtigsten Achtung

Ihr
dankbarster Schüler,
Carl Haessler.



Dieser Brief ist die Antwort auf einen derzeit verschollenen Brief von Spohr an Haessler. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Haessler an Spohr, 21.10.1849.

[1] Rechts oben auf dem Adressfeld befindet sich der Poststempel „SONDERSHAUSEN / 3 / 6“.

[2] Noch nicht ermittelt.

[3] Noch nicht ermittelt.

[4] Sowohl op. 78 als auch 102 stehen in C-Moll.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (24.07.2020).