Eduard von Lannoy an Louis Spohr in Kassel

An Seiner Wohlgeboren
Herrn Louis Spohr
Churfürstl. Hessischer HofCapellmeister &c
zu
Cassel

1 Exempl. in Orchesterst.


Hochverehrter Freund!

Ich gebe mir die Ehre, Ihnen ein Exemplar meiner, eben erschienenen Sinfonie zu übersenden und empfehle sie Ihner Freundschaft, von welcher Sie mir schon manche Beweise gegeben haben. Es wird mich sehr freuen, wenn sie in Cassel bei passender Gelegenheit unter Ihrer vortrefflichen Leitung gegeben werden kann.
Bei uns liegt die Kunst gänzlich darnieder. Frankreich gab 1793 das Beispiel der blutigsten, England unter Cromwell tischte der Welt die fanatischte auf, Wien im Jahre 1848 zeichnete sich durch die dümmste Revolution aus. In keinem andern Lande als in Deutschland hielten es die Bürger mit den politischen Revolutionsverehrern und den Taugenichtsen, welche im Trüben fischen wollen, wenn gleich der Pöbel überall gleich, überall communistisch ist. Was Wunder also, wenn die heilige Allianz¹ wieder von Todten ersteht! Wir haben seit einem Jahre viel gelitten, wenn gleich mehr moralisch, als physisch. Wer kann diese Verwirrung theilnahmlos betrachten und ruhig bleiben?
Ich empfehle Ihnen nochmals mein Kindlein und hoffe, gelegentlich ein Paar Zeilen von Ihrer Hand zu erhalten. Adressiren Sie Ihren Brief nach Wien Stadt 1142; er kommt mir sicher zu. Viel freundliches von meiner Frau. Ich bin mit warmer Verehrung und Anhänglichkeit

der Ihrige
Lannoy

Wien 14. Mai 1849