Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

Sr. Wohlgeb.
Herrn Hofcapellmeister Dr. Spohr
Cassel.

franco.


Sondershausen, am
30. April 1849.

Hochgeehrtester Herr!

Die Liebe und das Wohlwollen, das Sie mir seit einer Reihe von Jahren schenkten, macht mich auch jetzt dreist, an Sie eine Bitte zu richten, auf deren Erfüllung ich wol rechnen darf. Seit vierzehn Tagen nehmlich haben wir hier einen Musikverein zu Stande gebracht, der zum Zwecke hat, uns selbst zu vervollkommnen in unsern musikalischen Leistungen, theils auch den Theilnehmern einen kleinen Genuß zu verschaffen. Wir haben uns dieserhalb vorgenommen, zu1 Anfange der Unterhaltung stets ein Quartett zu spielen, dann wird eine Solopiece folgen, zuletzt aber vollen wir jedes mal ein größeres Tonstück zur Aufführung zu bringen. So spielten wir am verwichenen Sonnabende Ihr 3tes Doppelquartett2, und ich darf wol sagen, dass unsere Zuhörer völlig überrascht wurden und wir das ganze Stück wiederholen mussten. Dass natürlich das Werk wol ziemlich3 gelungen aufgeführt wurde, dazu trug unser fleißiges Studium viel bei, indem wir 10 Tage nach einander (Morgens um 6 Uhr schon gewöhnlich) dasselbe gespielt haben und auch unser Conzertmeister Uhlrich als Mitglied des Vereins daran Theil nahm, wie wol er mir die I. Stimme überließ.
Da wir nun auch Ihre andern Doppelquartetts (das II.4 u. IV5, das aus D Moll6 besitzen wir schon) zur Aufführung bringen möchten, der Verein aber noch in seinem Entstehen ist, um dieselbe anschaffen zu können, so ersuche ich Sie gehorsamst, mir doch die genannten Doppelquartetts, sowie Ihr Nonett mit Blasinstrumenten op. 31 gefälligst mit der Post zu übersenden, damit wir diese Werke gleich copiren lassen. Dass Sie diese Stücke in kürzester zeit, die Sie gütigst bestimmen wollen, zurückerhalten werden, versteht sich von selbst. neben unserm Verein besteht auch noch ein andrer Verein (Euterpe) an dem unser Capellmeister7 das Ruder führt. Hier werden aber blos Quartette aufgeführt, da sich an diesem kein anderes Mitglied der Capelle betheiligt hat, als aber der Herr Capellmeister mit seinem Herrn Bruder8 etc. Unser Verein hingegen zählt fast alle Mitglieder des Orchesters.
Noch erlaube ich mir anzufragen, auf welche Art Sie die Notenpulte bei Aufführung eines Doppelquartetts stellen lassen? Wir haben sie so gestellt, dass jedes Quartett für sich abgesondert saß, aber beide noch an einander.
In der angehorsamen(???) Erwartung, daß Sie meine Bitte nicht ungütig aufnehmen werde und dieselbe womöglichst bald erfüllen, bin ich mit der größten Achtung

Ihr dankbarster Schüler,
Carl Haessler,
Lehrer.



Der lezte erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Haessler an Spohr, 25.07.1845. Spohrs Antwortbrief ist derzeit verschollen.

[1] Hier am Wortende gestrichen: „r“.

[2] Op. 87.

[3] „ziemlich“ über der Zeile eingefügt.

[4] Op. 77.

[5] Op. 136.

[6] Op. 65.

[7] Gottfried Herrmann.

[8] Carl Herrmann.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (24.07.2020).