Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

Sr Wohlgeboren
Herrn General-Musikdirector Dr. Spohr
in
Cassel


Dordrecht den 2t April 1849.

Hochgeehrtester Herr Generalmusikdirector,

Wie fange ich es an Ihnen meine Freude mitzutheilen die ich emfpinde indem ich Ihnen zu Ihrem dießjährigen Geburtstage meine allerhezrlichsten Wünsche für Ihr Wohl finde und dabei ein kleines Zeichen1 meiner Liebe u Dankbarkeit füge? Schon lange hegte ich den Wunsch mich Ihnen dankbar zu erweisen; erst jetzt konnte ich diesen Wunsch realisiren u ich thue es mit so vieler innerer Freude, die mich recht beglückt. Nehmen Sie daher was ich Ihnen sende gütige auf u möge es Ihnen ein Zeichen sein meines innersten Gefühls für Sie: daß, der Liebe u der Verehrung. Nur zu gut kenne ich Ihre Generosität gegen mich u gegen Andere. Nur zu gut weiß ich wie edel Sie denken und handeln. So mögen denn die schönen Worte aus dem Berggeist, die ich durch die Güte der Frau Generalmusikdirector erhielt: „Was nur die Erde Goldes giebt. Was nur ein liebend Herz erfindet, das, das schmücke deinen Lebenspfad“ der Abdruck meines Gefühls sein, das ich für Sie empfinde. Sie [???] und werden in Erfüllung gehen, denn Sie verdienen recht, recht glücklich zu sein.
Was die Ouverture anbetrifft, die ich die Ehre habe Ihnen zu widmen, so muß ich sehr um Nachsicht bitten. Für den Augenblick habe ich nichts besseres; allein ich behalte mir vor sie durch ein anderes Werk zu ersetzen, wenn es mir gelingen sollte Etwas hervor zu bringen, daß Ihrer würdiger ist. Die Orchester-Partien sende ich nicht mir bei, denn ich möchte Sie lieber Herr Generalmusikdirector ersuchen die Partitur nachsehen u corrigiren zu wollen u sie dann an Herr J. Bott zu geben, den ich ersucht habe sie auf meine Kosten ausschreiben zu lassen. Wohl wünschte ich einen Verleger dazu zu finden; sollte dieses durch ihre Verwendung möglich sein? Was mich und meine hiesige Stellung anbetrifft, so ists noch wie früher; nur üben die Zeitumstände nach und nach auch hier ihren bösen Einfluß auf die Künste aus. Man muß Geduld haben. Ihren Gruß an Hr. Tours in Rotterdam habe ich ausgerichtet. Er war hocherfreut darüber und bat mich um Gegengrüße. Unter Hr. Verhulst Leitung hörte ich neulich eine ziemlich gute Ausführung der Jahreszeiten von Haydn. Von Ihnen sind neulich die letzten Dinge im Haag u in Utrecht aufgeführt, so wie verschiedene Sinfonien. Die 4t Sinfonie2 scheint ein Liebling der Holländer zu sein, denn sie wird in den größern Städten hier im Lande sehr häufig aufgeführt. ich studire gegenwärtig die Berggeist-Ouverture ein. Es müßte nicht ganz uninteressant für Sie sein Herr Generalmusikdirector wenn sie sähen wie ein Orchestre von Dilettanten mit Eifer und im Schweiß an Ihren Compositionen studirt u zuletzt doch leidlich damit zurecht kommt; nur würden Sie den armen Musikdirector bedauern, der es oft so wund[erbar(???)] anfangen muß um zum Ziele zu gelangen. Seit der Trauer um den König haben alle Concerte aufgehört; allein die gewöhnlichen Concert-Repetetionen dürfen sein, was Abwechslung u Beschäftigung giebt. So bin ich doch wieder an das Plaudern gerathen, was Sie gütigst entschuldigen wollen.
An Frau Generalmusikdirector meine Empfehlung und nochmals Dank und Ihnen Herr Generalmusikdirector, herzlichstes Lebewohl mit der Bitte, mir Ihre Güte u Ihr Wohlwollen zu bewahren.

Für nun und immer mit größester Hochachtung Ihr
ergebener u dankbarer
Ferdinand Böhme



Der letzte erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Böhme an Spohr, 02.10.1848. Spohr beantwortete diesen Brief am 09.04.1849.

[1] Ein Ziertaktstock (vgl. Antwortbrief und Louis Spohr’s Selbstbiographie, Bd. 2, Kassel und Göttingen 1861, S. 370, Anm. *).

[2] Die Weihe der Töne.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (05.10.2020).