Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

Hochgeehrtester Vetter und Pathe!

Im Vertrauen auf Ihre Güte, wage ich es mich mit einer bitte, an Ihnen zu wenden, durch deren Gewährung ich sehr dankbar sein würde. Doch bevor ich Ihnen damit bekannt mache, ist es wohl nothwendig einige Auskunft über unsere Familien-Verhältniße, Ihnen mitzutheilen. Es sind nun bereits 15 Jahre daß ich verheirathet bin und 9 Jahre, wo wir uns die Freiheit nahmen Sie bei unserm 4ten Kind als Taufzeuge einzuladen; seit dieser Zeit hat sich aber unsere Familie bis auf acht Kindert vermehrt. Bei dem geringen Gehalt meines Manns, der in 200 Rth. besteht und bei einer so zahlreichen Familie, ist es wohl schwer damit auszukommen, zumal wenn man den Kindern etwas ordentliches lernen lassen will, damit sie doch einmal in der Welt anständig fortkommen können. Als nun vor einigen Jahren die enorme Theuerung ausbrach, da1 war es, wo wir zum Erstenmale mit Noth und Kummer zu kämpfen hatten; die Besoldung reichte kaum für’s brod hie, wo sollten wir nun die anderen Bedürfnisse welche ein Haushalt erfordert hernehmen; es blieb uns nichts anders übrig, wir mußten borgen, und haben nun bis auf den heutigen Tag noch damit zu kämpfen. Ja dieser mir ewig unvergeßlichen Zeit besuchte unser ältester Sohn Julius das Gymnasium in Gotha, wo wir ihn auch in Alle erhalten mußten; schwer war es uns dieses durchzusetzen, doch sein Fleiß und das Lob seiner Lehrer, lies uns auch das höchste Opfer bringen; da überraschte uns plötzlich die Nachricht, daß er nicht studiren wolle, sondern Lust habe, als Optiker zu lernen. Alles Abreden, sowohl von Seiten der Lehrer als von uns, half nichts; er verharrte einmal bei seinem Vorsatz. Zum Glück fand sich auch sogleich eine Stelle nur, waren die Bedingungen nicht so leicht zu erfüllen, und – doch wußten wir nicht nur unser Kind zu versorgen, alle Mittel anwenden unsern Verpflichtungen nachzukommen! uns fehlen an der Summe, welche, wir bezahlen müßen nur noch zwanzig Thaler, mit diesen ist uns geholfen. Ich habe meine2 Vertrauen meine Hoffnung, nun auf Ihnen noch gesetzt, Geehrtester Herr Pathe, mir die fehlenden 20 Rth. auf zwei Jahre zu leihen, in, welcher Zeit ich Sie Ihnen mit dem größten Dank zurück erstatten würde, mein Sohn selbst sollte der Ueberbringer sein, und würde seinen Dank mit dem meinigen vereinen. In dieser Hoffnung, daß Sie meine dringende Bitte beherzigen verbleibe ich

Dero
ergeb. Pathe
Auguste Wohlgemuth
geborene Preysing.

Thal 3/28
bei Ruhla 1849

Autor(en): Wohlgemuth, Auguste
Adressat(en): Mahr, Louis
Erwähnte Personen: Wohlgemuth, Julius
Erwähnte Kompositionen:
Erwähnte Orte: Gotha
Thal bei Ruhla
Erwähnte Institutionen:
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1849032830

Spohr



Der letzte überlieferte Brief dieser Korrespondenz ist Spohr an Wohlgemuth, 18.09.1835. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Wohlgemuth an Spohr, 24.05.1851.

[1] „da“ über der Zeile eingefügt.

[2] Hier gestrichen: „ganze“.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (10.05.2022).