Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

Hochgeehrter Herr Kapellmeister.

In der schmeichelhaften Hoffnung daß Sie sich meiner noch freundlich erinnern, erlaubt ich mir Ihnen eine Bitte vorzutragen, durch deren gütige Gewährung Sie mich außerordentlich verbinden würden. Nachdem ich seit einem Jahr beim hiesigen Stadttheater als Kapellmeister angestellt bin hat man mir auch jetzt die Direktion der Gewandhausconzerte anvertraut. Die Aufgabe, an u. für sich schon dadurch keine leichte, als es immer sein Bedenkliches hat der Nachfolger so ausgezeichneter Leute, wie hier an der Spitze gestanden haben, zu sein, wird dadurch eine sehr schwierige daß mir die Sorge das Repertoire auszustatten fast allein überlassen ist, und 22 Conzerte interessant u. mannichfaltig zu machen ist gewiß selbst bei ziemlich bedeutenden Mitteln keine Kleinigkeit. Da nun die Instrumentalmusik der Hauptschmuck des Instituts ist, so muß mir vor allen Dingen daran gelegen sein auf diesem Felde werthvolle Neuigkeiten zu acquiriren, u. da könnte mir denn in der Welt nicht erwünschter sein als wenn Sie die Güte hätten mir Ihre neueste für London geschriebene Sinfonie für eine Aufführung anzuvertrauen. Mit ist nicht bekannt ob die Sinfonie schon das Eigenthum eines deutschen Verlegers ist; da wenn auch dem so wäre, so meine ich, wäre ein Aufführung in Leipzig eher geeignet dem Verleger Vorschub zu leisten, als ihn zu benachtheiligen. Sie mögen die Überzeugung haben, verehrtester Herr Kapellmeister, daß wir das Werk mit aller Liebe u. allem Fleiße einstudiren u. aufführen würden u. hinter des lebhaftesten Dankes der ganzen hiesigen musikalischen Welt, des Publikums u. der Musiker, gewiß sein können u. wollen Sie daher meiner Bitte Gehör geben, so ersuche ich Sie freundlichst um baldige Übersendung der Partitur u. der Orchesterstimmen. Ich verpflichte mich Ihnen alles tags nach der baldigst zu veranstaltenden Aufführung unbeschädigt zurückzusenden.1
Wir hatten uns sehr darauf gefreut Sie bei Gelegenheit des Dresdner Jubiläums in Leipzig begrüßen zu können.2 Im Theater war eine Aufführung der Jessonda veranstaltet, welche Sie wenigstens nicht ganz unbefriedigt gelassen haben würde. Wir mußte leider auf die Freude Sie, wenn auch nur kurze Zeit, bei uns zu sehen, verzichten. Nun, ich hoffe, daß Ihre zahlreichen Leipziger Verehrer bald einmal das Glück haben werden Sie unter sich zu sehen.
Ich wünsche herzlichst daß diese Zeilen Sie im allerbesten Wohlsein antreffen mögen u. indem ich einer baldigen freundlichen Antwort sehnsuchtsvoll entgegen sehe habe ich die Ehre mich mit allen Zeichen höchster Verehrung zu nennen

Ihren ergebensten Diener
Julius Rietz.

Leipzig den 3ten Oktober.
1848.

Autor(en): Rietz, Julius
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen:
Erwähnte Kompositionen: Spohr, Louis : Jessonda
Spohr, Louis : Sinfonien, op. 137
Erwähnte Orte:
Erwähnte Institutionen: Gewandhausorchester <Leipzig>
Hofkapelle <Dresden>
Stadttheater <Leipzig>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1848100343

Spohr



Der letzte erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Rietz an Spohr, 29.01.1844. Da die angefragte Sinfonie in Leipzig aufgeführt wurde, ist ein Antwortbrief von Spohr anzunehmen, derzeit aber noch nicht sicher zu erschließen. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Rietz an Spohr, 11.03.1851.

[1] Zur Aufführung der Sinfonie op. 137 in Leipzig vgl. „Leipzig, 1848“, in: Allgemeine musikalische Zeitung 50 (1848), Sp. 826f., hier Sp. 827; „Zehntes Abonnementconcert im Saale des Gewandhauses zu Leipzig. (Donnerstag, den 14. December 1848.)“, in: Signale für die musikalische Welt 6 (1848), S. 414f., hier S. 414.

[2] Am 22.09.1848 feierte die Dresdener Hofkapelle ihr 300-jähriges Bestehen (vgl. „[Am 22. September]“, in: Allgemeine musikalische Zeitung 50 (1848), Sp. 656.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (23.08.2021).