Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287
Lieber geehrter Herr Kapellmeister!
Es gehört wirklich unter die unbegreiflichen Begebenheiten, das Überbringer dieses, ein blinder Musikus, hier nach dem Eisenberg kömmet um mich zu bitten ihn Ihrer Güte und Theilnahme zu empfehlen; es ist aber nun einmal so, und Sie werden mir verzeihen und mich nicht für anmaßend halten wenn ich seinen Wunsch erfülle, und Sie mit diesen Zeilen belästige. Der arme Mensch scheint würklich auf seinem Instrument recht ausgezeichnet zu sein, denn er hat ein Pianissimo wie ich es noch nicht gehört; dabei ist er als Mensch ganz originell und läßt sein Schicksal nicht allein mit Ergebung u. Geduld sondern mit einem gewissen Humor wie es gewiß selten bei Blinden der Fall ist.1 Doch Sie werden ihm ja sehen und hören. Empfehlen Sie mich der lieben Marianne und Margarete. Mrs Whittle ist wohl u sehr liebenswürdig. Wir empfehlen uns, Malsburg mit eingeschlossen, herzlichst und ich nenne mich, lieber Herr Kapellmeister! Ihre Sie innigste verehrende Caroline Malsburg
Eisenberg Montag in großer Eile
Autor(en): | Malsburg, Caroline von der |
Adressat(en): | Spohr, Louis |
Erwähnte Personen: | Hentzschel, Johann Friedrich Taylor, Margaret Whittle, Kate |
Erwähnte Kompositionen: | |
Erwähnte Orte: | |
Erwähnte Institutionen: | |
Zitierlink: | www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1848100230 |
Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Malsburg an Spohr, 08.06.1849.
Falls die Identifikation des im Brief genannten blinden Musikers mit Johann Friedrich Hentzschel zutreffend ist (vgl. Anm. 1), dürfte dieser Brief am Montag vor Spohrs Zeugnis für Hentzschelvom 06.10.1848 entstanden sein, also am 02.10.1848.
[1] Die Beschreibung eines blinden Musikers mit einem hervorrangenden Pianissimo könnte auf den Klarinettisten Johann Friedrich Hentzschel deuten: „Der blinde Klarinettist Hentzschel aus Karlsruhe, ein Zögling des Dresdener Blindeninstituts […], hat am 11. Oktober ein Conzert gegeben […] Vor Allem hat der Conzertgeber durch das leise Verhallen seiner Töne, wie auch durch die Ausführung zweistimmiger Tongänge im Pianissimo (ähnlich denen, welche auf dem Horn hervorgebracht werden) die Aufmerksamkeit eines zahlreichen Zuhörerkreises auf sich gezogen“ (O[tto] K[raushaar], „Kassel. (Von Anfang Mai bis Mitt Oktober 1848.)“, in: ebd., Sp. 709-712, hier Sp. 711).
Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (22.12.2021).