Autograf: Spohr Museum Kassel (D-Ksp), Sign. Sp. ep. 1.3 <Spohr, Wilhelm 18480912>

Sr. Wohlgeb.
Herrn Kammerbaumeister
Wilhelm Spohr
zu
Braunschweig.

frei.


Cassel den 12ten Sept
1848.

Lieber Wilhelm,

Wie gern kämen wir statt dieses Briefes selbst, um Theil an Eurem schönen Feste zu nehmen! Leider will es sich aber nicht thun lassen. Könnte ich mich auch auf ein Paar Tage vom Theater losmachen, so dürften wir doch unsern Gast, Fräulein Taylor nicht verlassen. Nehmt daher schriftlich unsern herzlichsten Glückwunsch! Gebe der Himmel, daß Ihr diesen Jahrstag Eurer Verbindung, so wie recht viele folgende, im besten Wohlseyn verlebet und so im glücklichen Alter auch den Tag der goldenen Hochzeit heranbrechen seht! An Stoff zur Unterhaltung, wenn es im Familienkreise je daran fehlen könnte, wird es in den nächsten Tagen nicht fehlen, denn wir sind nun zu einer Crisis gelangt, wo es sich definitiv entscheiden wird, ob Preußen sich der Centralgewalt unterwirft1, oder nicht!2 Es sey denn, daß die Abstimmung3 in Frankfurt über den Waffenstillstand anders ausfiele, als man hier allgemein hofft und erwartet, nämlich daß er genehmigt würde. Dann würde freilich alles in die bisherige Unentschiedenheit zurückfallen. Wird er aber verworfen, wie es fast nicht anders seyn kann, so muß es endlich biegen oder brechen! Ein Glück scheint‘s mir, daß das Preußische Ministerium eben gefallen ist, und daß man jetzt in Berlin, rathlos wie man ist, wohl nur geringen Wiederstand einer energischen Erklärung der Centralgewalt entgegen zu setzen wagen wird. Da auf gestern die Abstimmung in der Paulskirche festgesetzt war, so können wir heute Abend das Resultat wissen.4 Mit diesem Briefe wird5 es auch zu Euch gelangen.
Unsere hiesigen politischen Angelegenheiten gehen gut, nur hat noch immer der Kriegsminister mit dem obersten Militaircheff zu kämpfen. Wir haben deshalb schon wieder einen Wechsel bey diesem Ministerium. Auch ist es leicht möglich, daß Wippermann vom Finanzministerium wieder abtritt, da er, wie man hier erzählt, in‘s Reichsministerium berufen seyn soll. Er ist wenigstens eiligst nach Frankfurt abgereist.
Die herzlichsten Grüße an die versammelte Familie! Was das unter den lieben Kindern in diesen Tagen für ein Leben seyn! Wir werden, auch entfernt, den innigsten Antheil an Eurer Freude nehmen.
Von Herzen

Dein Dich liebender Br.
Louis Spohr.

NS. Sage doch Ida, sie möge das Exemplar unserer Lesemuseums-Statuten, wo möglich, wieder mitbringen, da ich versprechen mußte, es dem Eigenthümer zurückzugeben. Ich hatte große Mühe eins zu bekommen, da die Auflage längst vergriffen6 und mein eigenes Exemplar abhanden gekommen ist.

Autor(en): Spohr, Louis
Adressat(en): Spohr, Wilhelm
Erwähnte Personen: Taylor, Margaret
Wippermann, Wilhelm
Wolff, Ida
Erwähnte Kompositionen:
Erwähnte Orte: Braunschweig
Frankfurt am Main
Erwähnte Institutionen: Lesemuseum <Kassel>
Nationalversammlung <Frankfurt am Main>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1848091200

Spohr



Der letzte erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Louis Spohr an Wilhelm Spohr, 16.05.1848. Der nächste überlieferte Brief dieser Korrespondenz ist Louis Spohr an Wilhelm Spohr, 07.01.1850, aus dem sich noch ein derzeit verschollener Brief von Wilhelm Spohr an Louis Spohr erschließen lässt.

[1] Am Ende des Worts gestrichen: „e“; danach gestrichen: „wird“.

[2] Nach der Aufrufung einer provisorischen Regierung in Schleswig-Holstein annektierten im März 1848 Dänemark Schleswig und Preußen Holstein. Die Bundesversammlung erklärte am 12.04.1848 den Bundeskrieg (vgl. Wolfram Siemann, Die deutsche Revolution von 1848/49, Frankfurt am Main 1985, S. 153). Spohr überlegt hier offensichtlich, ob sich Preußen den Beschlüssen des Paulskirchenparlaments unterwerfen wird.

[3] Hier gestrichen: „über“.

[4] Die Abstimmung über den zwischen Preußen und Dänemark im schleswig-holsteinischen Krieg geschlossenen Waffenstillstand von Malmö scheiterte am 04.09. zunächst und wurde dann erst am 14.-16.09.1848 wieder aufgenommen (vgl. Siemann, S. 155f.).

[5] Hier gestrichen: „sie“.

[6] Hier gestrichen: „ist“.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (18.08.2017).