Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287


Hochgeehrtester Herr u. Meister!

Wie sich auch mein Leben gestaltet, wohin mich auch die Stürme der Zeit treiben – und daß sie mich schon, wenigstens von dem Ziele, was ich mir vor Jahren im sanguinischen, jugendlichen Übermuthe gesteckt hatte, weit abgeführt haben, dessen bin ich mir bewußt – ich sage, wie es geht u. gehen mag, immer ist mir der Gedanke, von Ihnen, dem Meister, der für alle kommenden Zeiten gelebt u. gewirkt hat, nicht zu den unwürdigen Jüngern der Kunst gezählt worden zu sein, einer der erhebendsten, die ich zu denken vermag. Ja oft, wenn mich der Muth u. die Hoffnung verlassen will, wenn es mir scheint, als werde ich mich nicht über die Mittelmäßigkeit erheben, als gehöre ich nicht zu den Auserwählten, dann hält u. spornt mich der Gedanke weiter an: der Meister Spohr hat dir ja Talent zugestanden, u. deßhalb muß es auch noch besser werden: So durchzieht überhaupt das Denken an Sie mein ganzes Sein. Dies mußte ich auch wieder einmal durch etwas Anderes u. mehr als Worte bestätigen, u. ich erlaube mir beiliegendes Werk „Ernst u. Scherz“1 als Klavierpiece – Ihrer Frau Gemahlin zu widmen. Wollen Sie u. Ihre Frau Gemahlin mein Denken u. Thun nicht ungünstig aufnehmen! Glücklich würde ich mich fühlen wenn Ihnen mein Werkchen einige Freude bereitete. – Was nun das Werkchen selbst betrifft, so sind die Anfänge der beiden Hauptgedanken desselben nicht erst jetzt erfunden, sondern sie kommen, aber eben nur als Anfänge, in meiner ersten Symphonie vor. Weil sie mir aber immer zu den gelungenen von meinen Gedanken zu gehören schienen, deßhalb mochte ich sie nicht verloren sein lassen u. dies bewog mich, sie frei zu einem Satz für Pianoforte zu bearbeiten. – Was mich betrübt, ist, daß einige Druckfehler sich eingeschlichen haben; diese bitte ich, geehrtester Meister, corrigiren zu wollen.
Indem ich Sie bitte, mein Werkchen Ihrer Frau Gemahlin einzuhändigen u. mich derselben bestens zu empfehlen, bin ich

mit der alten Liebe u. Verehrung
Ihr
ganz ergebenster

F. Kühmstedt

Eisenach am 7tn Septbr
1848.

Autor(en): Kühmstedt, Friedrich
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen:
Erwähnte Kompositionen: Kühmstedt, Friedrich : Ernst und Scherz
Kühmstedt, Friedrich : Sinfonien, Nr. 1
Erwähnte Orte:
Erwähnte Institutionen:
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1848090740

Spohr



Der letzte erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Spohr an Kühmstedt, 01.02.1848. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Spohr an Kühmstedt, 19.01.1852, aus dem sich noch ein derzeit verschollener Brief von Spohr an Kühmstedt erschließen lässt.

[1] Zu dieser Komposition vgl. „Salonmusik für Pianoforte“, in: Neue Berliner Musikzeitung 3 (1849), S. 19.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Wolfram Boder (30.07.2020).