Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287
Catlenburg am 26sten May 1848.
Zunächst also, mein innigst verehrtester Freund! in Fortsetzung meines Schreibens vom 23t d.M. die Erwiederung Ihrer Anfrage in Betreff des jungen Herrn Engelhard.
Demselben eine besoldete Anstellung zu offeriren, – wie der bezeichnete Standpunkt bereits erzeigter Ausbildung zu einem tüchtigen u denkendem Oeconomen wohl Anspruch darauf zu machen hat, – habe ich zu meinem Bedauern zunächst keine Gelegenheit. Die Volontair – d.h. die unbesoldete Verwalter-Stelle auf dem ½ Stündchen von hier entfernten Vorwerk Albrechtshausen aber wird wahrscheinlichst zu Johannis vacant werden.
Diese Stelle ist bey mir in Berücksichtigung ihrer manningfachen Gelegenheit zu sammelnder weiterer Belehrungen u Erfahrungen von jeher durch junge Männer im Volontair-Dienste verwaltet, die bereits 4-5 Jahre hindurch im Geschäfte waren; u welche in der Regel ein gutes weiteres Avancement von da nach einigen Jahren gemacht haben. – (So unter andern einst ein Bruder des trefl. Lieder-Componisten Reichardt; u [???] einige Jahre hindurch der Sohn1 des Cammer-Musicus Nicola2 zu Hannover u der einst trefl. Sängerin Stenz, – nach Pott „das reitzendste Röschen Ihres Faust was er je gesehen“) diesen folgte Michaelis 1846, bey dessen Avançement in ein auswärtige Oberverwalter-Stelle, ein Dévrient, – (Sohn der Schröder-Dévrient, jetzige v. Döring) der ebenfalls bereits mehrere ähnliche Anstellungen in Sachsen durchmachte, u jetzt den Plan eines kleinen Ankaufes verfolgt, u in Folge dessen wahrscheinlichst zu Johannis verlassen wird.
Zu dessen Nachfolger war nun eventuell eigentlich 3 ein noch sehr junger Mensch bestimmt, der erst seit Maytag v.J. bey uns in die Lehre trat; aber ein gebornes Talent für dieses Fach in jedem Betrachte; u ganz dazu geeignet, eine gar ungewöhnlich rasche Carriere darinn zu machen! –
Dessen zweyfellose schon jetzige Beschäftigung für jene Stellung hat eben möglich gemacht, Dévrient‘s definitiven Entschluß ganz von weiteren Fügungen abhängend bleiben lassen können; weil dieser junge Mayer, von hier gebürthig, zu jedem Augenblicke für dessen Ersatz uns zur Hand ist.
Eben dieses ungewöhnlichere Verhältniß würde aber auch zulassen, daß Hr Engelhard, – wenn es ihm etwa zunächst nur darum zu thun wäre, in angestrengter Thätigkeit, hier gleichzeitig Erweiterung seiner Kenntnisse zu bleiben, – bey Annahme dieser etwaigen Vacanz nicht genirt seyn würde, ihm sich etwa darbiethende Gelegenheit einer vortheilhafteren Anstellung jeder Zeit nach seiner Konvenienz benutzen zu können. –
Der Advocat4 zu Albrechtshausen, – dessen Beachtung demfalls manche nicht speciellern(???) Manipulationen darbiethet, – ist an End dem seit 28 Jahren daselbst anwesenden Hofmeister in der Art überworfen, daß ich dessen eingreifendern Direction solcher Verwalter-Stellung nicht zugestehen kann. Der Hof liegt etwa in der Mitte der Flur und die dem Verwalter obliegende Rechnungs-Schreiberey schließt, bey genügendem Fleiße, fortlaufende Mitwirkung in der Feldbeaufsichtigung nichts aus. – Jene Schreibtisch-Geschäfte sind allerdings mühsam, – und erfordern besonders hinsichtlich der Buchführungen über die individuell nummerirte Schäferey, – in welcher also jedes einzelne Thier seinen Verbuchungs-Platz einnimmt, – eine unverbrüchliche Aufmerksamkeit u Genauigkeit, was ihre gleichzeitig der Wissenschaft wie der Praxis angehörende Zwecke nicht unwiederbringlich gestört werden solle; u es müssen solche also neben deutlicher Zahlenschrift, gegen alle u jede Flüchtigkeits-Verwechselungen oder Crastinirungen u Versäumnisse streng geschützt bleiben; für dessen Sicherung allerdings zunächst auch das ganze Temperament eines jungen Manns „so wie dessen eigenes Intresse für die damit zusammen hängenden Forschungs-Zwecke gar sehr mit in Betracht komme. –
Mögte nun H Engelhard nach diesen allgemeinen Grundzügen solcher Stellung auf deren eventuelle Annahme hineingehen: so würde dessen so leicht zu bewirkender Besuch für mündliche Besprechung des Details allerdings gegenseitig zweckmäßig erscheinen. – Da ich aber leider noch immer nur wenige Stunden außer Bett seyn dann: so würde dessen vorherige Anzeige des Tages seines Eintreffens erforderlich seyn, um meine Zeiteintheilung im Voraus voraus für ihn dispendirt stellen zu können. Auch würde Er eintretenden Falles am besten mit der Abend-Post dort abfahren, welche jeden Morgen gewis 9 Uhr hier eintrfft; indem ich gerade des Morgens u bis jetzt leider nur bis höchstens 2 Uhr Nachmittags mich außer Bett halten darf. Er aber mich selbst doch wohl gern gleich bey seiner Ankunft [s]ehen5 würde.
Aus diesem noch so wenig befriedigenden Zustande meines Pedales geht demm schon von selbst hervor, wie ich leider Ihre so anziehende Pfingst-Einladung noch immer nicht folgen darf! da übermäßig schwerer Büßung der Concert-Excursionen zu Litolff u Nordheim, in den so kalten Januar-Tagen! –
Ab u an mögte dieses unabsehbar trostlose Zustand, unter dem Hinzukommen der noch trostloseren politischen Verwickelungen unseres armen Deutschlands, mir allerdings aller Reitz des Lebens abschneiden!! – Auch am Charfreytage, u vor Allem an dem uns Allen so heiligen 5t April waren alle meine Gedanken und alle meine heißesten guten Wünsche wahrhaft sehnsuchtsvoll bey Ihnen! –
Daß Sie Ihren Meisterwerken wiederum ein Septett anreiheten, war mir noch so neu als interessant! – Mögte ich doch dessen erste Aufführung Pfingsten mit feiern können!! – Für welche Instrumente ist es denn? –
Und welche Reise haben Sie denn für die Ferien projectirt? – Nothwendig muß ich doch wissen, wo meine Gedanken u guten Wünsche Sie umschweben dürfen! – Mir verbiethet vorläufig schon mein lahmer Zustand an irgend eine Sommer-Reise zu denken, – die ja auch bisher ohne allen wesentlichen Erfolg für meine Reconvalesirung verblieben
Meine Frau empfiehlt sich Ihnen und mit mir Ihrer theuren Frau Gemahlinn auf das aller herzlichste! – Innigst
Ihr so wamer als danbarer
Verehrer
CFLueder.
G.N.S. Bey etwa gelegentlicher Berührung der dem Hrn Engelhard gemachten Antwort bitte ich zu erwähnen, daß solcher auf schon vor 4 Jahren gegebenen eventuelle Zusicherung für Zeit und Gelegenheit sich gründe; indem ich ähnlichen Antrag der verwitweten Stallmeisterinn Neuß alldort für ihren, u des Capellmeister Marschner6 für seinen Sohn7 kürzlich abgelehnt habe; u ich außer jenem Vetter Ihrer verehrten Frau Gemahlinn auch Niemandem den Vorsprung vor eben erwähntem jungen Meyer, – Großsohn meines einstigen gar getreuen Schafmeisters, – einräumen würde. –
Autor(en): | Lueder, Christian Friedrich |
Adressat(en): | Spohr, Louis |
Erwähnte Personen: | Devrient, Carl Wilhelm Engelhard (Katlenburg) Marschner, Alfred Meyer (Katlenburg) Nicola, Carl Nicola, Felix Conrad Friedrich Stenz, Karoline |
Erwähnte Kompositionen: | |
Erwähnte Orte: | Katlenburg |
Erwähnte Institutionen: | |
Zitierlink: | www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1848052635 |
Der letzte erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Lueder an Spohr, 26.05.1848. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Lueder an Spohr, 08.06.1848.
[1] Felix Conrad Friedrich Nicola.
[2] Carl Nicola.
[3] Hier ein Wort gestrichen („noch“?).
[4] Noch nicht ermittelt.
[5] Textverlust durch Tintenfleck.
[6] Heinrich Marschner.
[7] Vermutlich Alfred Marschner.
Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (02.07.2024).