Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

Wenn in einem vielfach bewegten Leben, wie es das eines Theater-Intendanten ist, Mühen und Sorgen an der Tagesordnung sind, so gewährt doch der Gedanke, mit den ausgezeichneten Dichtern und Componisten in ein näheres Verhältniß gekommen zu sein, auch wieder reichen Lohn. –
Vor Allem fühle ich mich daher glücklich, Euer Hochwohlgeboren schon seit einer langen Reihe von Jahren, in welchen ich mehreren Bühnen vorgestanden, zu kennen, und wahrhaft erfreut war ich, daß in meiner jetzigen Stellung mir vergönnt war, Ihr Werk: „die Kreuzfahrer,“ zur Aufführung zu bringen. Wenn mich der lebhafte Antheil schon hoch erfreute, den Ihre Oper bei unserem Publikum gefunden, so ist diese Freude noch durch die Königliche Huld erhöht, die Ihnen durch Verleihung des Ordens geworden. – Es war die gerechte Anerkennung Ihrer großen Verdienste um die deutsche Musik.
Vielleicht ist Eurer Hochwohlgeboren bekannt, daß schon seit längerer Zeit bei der hiesigen Königlichen Bühne eine dramaturgische Prüfungs-Commission besteht, die alle eingehende dramatische Werke liest, und dann sich entweder für die Annahme oder Nichtannahme ausspricht. – Für die musikalischen Werke bestand ein solches Comité aber bis jetzt noch nicht in dem Grade, wie ich es wünsche. In den beiden hier angestellten Kapellmeistern Hrn. Taubert und Nicolai besitzen wir zwar ein paar tüchtige musikalische gebildete Männer, indeß dürfte jetzt, wo die öffentlichen Stimmen eine größere ausgebreitete Macht sich errungen, leicht der Tadel über einseitiges Urtheil sich vernehmen lassen.
Dem zu begegnen, wäre es wünschenswerth, in diesem Comité eine dritte Stimme zu haben, und zwar eine solche, deren Ausspruch als Autorität gilt, gewissermaßen die eines Meisters.
Daß bei einem solchen Vorhaben ich zuerst an Euer Hochwohlgeboren gedacht, liegt nahe, denn ich late Sie dazu für den Befähigsten. Weiteres will ich nicht hinzufügen; nur bitten will ich, ob Sie Sich wohl entschließen könnten, in dieses Comité als Mitglied einzutreten.
Erleichtert würde die Sache durch den Umstand wesentlich, daß der größte Theil der hier eingehenden Opern auch Ihnen zugeht, in Fällen, wo dies nicht geschehen, würde ich Partitur und Buch Ihnen von hier aus zukommen lassen. Das käme bei dem zu erstattenden Gutachten nur einfach darauf an, ob die Oper in Bezug auf Musik und den Text so werthvoll, daß es Zeit und Mühe verlohnt, das Werk einzustudiren. Da das Einstudiren von Opern ohnehin mehr Zeit und Ausgaben als ein Schauspiel nöthig machen, so ist vorzüglich darauf zu sehen, ob auch eine öftere Wiederholung erwartet werden kann.
Seitdem der Autoren Antheil eingeführt, liegt es in dem Interesse der Verwaltung wie der Autoren, nur solche Stücke anzunehmen, die einen Success versprechen; ist daher vorauszusehen, daß ein Stck nur wenige Male überhaupt gegeben werden kann, so hat die Verwaltung wie der Autor dann den gleichen Schaden, den möglichst abzuwenden, die größte Pflicht der Intendantur bleiben muß.
Daß von jedem Mitgliede des Comité’s zu gebende Gutachten würde demnach Vorstehendes zu berücksichtigen haben, und darauf das Urtheil zu basiren sein, ob die Oper zur Darstellung zu empfehlen ist oder nicht.
Möchten Euer Hochwohlgeboren die Angelegenheit wohlwollend prüfen und mich gefälligst wissen zu lassen, ob und in welcher Weise Sie auf meinen Vorschlag einzugehen gewilligt würden.

Mit vollkommenster Hochachtung
Küstner

Berlin,
den 8. Mai 1848.

an
den Churfürstlich Hessischen General-Musik-
Director und Ritter pp.
Herrn Spohr,
Hochwohlgeboren.

Autor(en): Küstner, Karl Theodor von
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Nicolai, Otto
Taubert, Wilhelm
Erwähnte Kompositionen: Spohr, Louis : Die Kreuzfahrer
Erwähnte Orte: Berlin
Erwähnte Institutionen: Königliche Schauspiele <Berlin>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1848050845

Spohr



Der letzte erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Küstner an Spohr, 28.07.1845.
Dieser Brief ist von einem anderen Schreiber und von Küstner nur unterschrieben.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (01.02.2023).