Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287[Schletterer,H.M.:03

Hochgeehrtester Herr Hofcapellmeister!

Nach längerm Stillschweigen erlaube ich mir, Ew. Wohlgeboren mit einigen Zeilen lästig zu fallen. In meinem letzten Briefe wagte ich die Bitte an Sie zu stellen, zu meinen Gunsten einige Worte an den Vorstand der Liedertafel zu Mainz zu richten.1 Leider kam jedoch meine Anmeldung damals zu spät, und ich konnte also bei der Wahl eines Musikdirektors für dieselbe nicht berücksichtig werden. Während der vergangenen Wintermonate war ich Musikdirektor am Stadttheater zu Zweibrücken. Der Überbringer dieses Herr Roland hat mehrmals mit dem größten Beifalle als Tenorist dahier gastirt. Da er mir von seiner bevorstehenden Reise nach Kassel und von seinem Wunsche dort auftreten zu wollen sagte, so erlaubte ich mir, diesen Brief an Ew. Wohlgeboren denselben mitzugeben.
Obwohl ich es es2 nicht wagen darf Ihrem Urtheile vorzugreifen so muß ich doch bekennen, daß mich Herr Roland vielfach an Herrn Derska erinnert hat. Er besitzt daselbe elegante Spiel wie jener, und dieselbe Gewandheit und Sicherheit. Sein enormes Repertoir und sein sein glückliches Musikalisches Gedächtniß, welch letzteres ich beim Einstudiren der Partie des Henry im Waffenschmiedt, kennen zu lernen Gelegenheit hatte, haben mich überrascht und es sollte mich freuen, wenn er an einem, für ihn glücken Tage in Kassel auftreten und Ew Wohlgeboren Beifall erwerben könnte.
Da in dieser Zeit der politischen Wirren die theatralische Laufbahn so wenige Sicherheit darbeitet, so habe ich es vorgezogen als Musiklehrer während des Sommes hier zu bleiben. Wenn jedoch bis zum Herbste die Sache sich in Deutschland nicht ändern sollte, so gedenke ich entweder in England oder Amerika mein Glück zu versuchen. Herr Roland hat mich als Dirigent kennen gelernt. Als Komponist habe ich mich schon vielfach, und wie ich glauben darf, nicht ohne Glück versucht. Wenn nun Ew. Wohlgeboren mir durch irgend eine Empfehlung den Weg zu einer Anstellung in jenen Ländern bahnen könnten, was bei dem außerordentlichen Ruf und Ruhm Ew. Wohlgeboren in der musikalischen Welt vielleicht nicht unmöglich sein dürfte, so wage ich es Sie zu bitten, sich Ihres, seinem hohen Lehrer bis zum letzten Athemzuge dankbar verehrenden Schülers gütigst erinnern zu wollen. Sollte ich so glücklich sein, von Ihnen berücksichtigt werden zu können, so werden einige Worte an meinen Vater, Schneidermeister in Ansbach gerichtet, jederzeit sicher in meine Hände gelangen.
Mit Hochachtung unterzeichnet

Ew. Wohlgeboren
ergebenster und dankbarster Schüler
Michel Schletterer.

Zweibrücken, den 15 April 1848.

Autor(en): Schletterer, Hans Michael
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Derska, Johann Joseph
Roland (Tenor)
Schletterer, Joachim Kaspar
Erwähnte Kompositionen: Lortzing, Albert : Der Waffenschmied
Erwähnte Orte: Zweibrücken
Erwähnte Institutionen: Hoftheater <Kassel>
Liedertafel <Mainz>
Stadttheater <Zweibrücken>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1848041540

Spohr



Der letzte erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Schletterer an Spohr, 22.03.1847. Der nächste erschlossene Brief dieser Korrespondenz ist Schletterer an Spohr, bis zum 13.12.1853.

[1] Vgl. Spohr an die Liedertafel Mainz, 27.03.1847.

[2] Sic!

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (29.01.2019).