Autograf: Universitätsbibliothek Kassel, Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms.Hass. 287
Braunschweig
den 20ten Febr 1848
Hochverehrter Herr Capellmeister!
Wenn Sie mir nicht schon so oft Proben Ihrer Nachsicht und außerordentllicher Herzensgüte gegeben hätten, innig verehrter Herr Capellmeister, so würde ich es auch jetzt nicht wagen, Sie um Ihre so viel vermögenden Beistand anzuflehen. Mein gänzlich unverschuldetes Unglück ist um so größer, da ich in diesem Augenblicke meine beiden Söhne erhalten muß. Mein ältester Sohn ist ein sehr talentvoller Musiker und hat hier bereits seit einer Reihe von Jahren 1ter Geige im Orchester gespielt, doch ist er hauptsächlich Pianist und in Braunschweig wohl der beste. Da es mir nun leider nicht gelingen will für mich ein Engagement zu finden, so habe ich beschloßen mit meinen Kindern zu reisen. Ich sehe das Leute mit denen wir ohne arrogant zu sein, recht gut rivalisiren können, ganz leidliche Geschäfte machen, und so will ich denn auf den Himmel bauend, es auch getrost wagen.
Ich weiß, hochverehrter Herr Capellmeister, wie man Sie in jedem Lande verehrt und vergöttert; ich brauche Ihnen nur London und Paris zu nennen, Sie an Ihre Triumphe zu erinnern und Sie werden mir beipflichten.
Wollen Sie nun einer namenlos(?) unglücklichen Frau ein Helfer und Retter sein, so geben Sie mir, ich flehe Sie darum fußfällig an, hochverehrter Herr Capellmeister, einige Empfehlungen nach Holland, London und Paris. Ich weiß wie groß diese Bitte ist, ich weiß aber auch an wen ich sie richte, und blicke vertrauensvoll, wie zu meinem Gotte, zu Ihnen empor!
Indem ich Sie bitte, mir nicht zu zürnen und zu glauben, daß mein Herz für Sie von Dankbarkeit und Segen für Sie überfließt bin ich
mit der größten Achtung
Ihre
ewig dankbare
Minna Müller
geb. Gerson
Sie sagten mir einmal bei dem Musikfeste in Halberstadt1, daß sie gelbe gefüllte Rosen2 liebten, deshalb wage ich es Ihnen eine Pflanze davon durch Freund Pufeldt(?) zu senden.
Autor(en): | Müller, Minna |
Adressat(en): | Spohr, Louis |
Erwähnte Personen: | Müller (1. Sohn von Minna und Gustav Müller) Müller (2. Sohn von Minna und Gustav Müller) |
Erwähnte Kompositionen: | |
Erwähnte Orte: | Braunschweig Halberstadt London Paris |
Erwähnte Institutionen: | Elbe-Musikfeste <wechselnde Orte> Hofkapelle <Braunschweig> |
Zitierlink: | www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1848022045 |
Der letzte erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Müller an Spohr, 04.06.1846. Spohr beantwortete diesen Brief am 24.02.1848.
[1] 1833 (vgl. Das sechste Elb-Musikfest, gefeyert zu Halberstadt am 19ten, 20sten und 21sten Juny”, in: Allgemeine musikalische Zeitung 35 (1833), Sp. 496ff.; C.R., „Von der Elbe im Junius. Die Feier des sechsten Elbmusikfestes”, in: Zeitung für die elegante Welt 33 (1833), S. 527f.).
[2] Vgl. Johannes Wesselhöft, Der Rosenfreund. Vollständige Anleitung zur Kultur der Rosen im freien Lande und im Topfe, Treiben der Rosen im Winter, sowie Beschreibung der schönsten neuen und alten Sorten, nebst Angaben der Verwendung, Weimar 1866, S. 139.
Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (05.10.2016).