Carl Müller an Louis Spohr in Kassel

Münster, am 31^sten Dez. 47.

Verehrtester Herr Capellmeister,

Vielleicht entsinnen Sie Sich noch eines jungen Mannes, der vor einigen Jahren mit einer Ouvertüre (zu Otello) u einigen Liedern in Ihr Haus rückte, und sich dort der freundlichsten Aufnahme erfreute.¹
Derselbe ist Schreiber dieser Zeilen und verändertem Wohnort, damals Musiklehrer in Düsseldorf, heute Musikdirektor in Münster.
Seit etwa fünf Vierteljahren hat sich hier für mich ein höchst erfreulicher Wirkungskreis aufgethan: wir pflegen hier, ob wohl die musikalische Welt kaum von unserm Vorhandensein wissen wird, die edle Musica aufs Beste, geben auch etwa 18 Concerte im Jahr, in deren Einem wir kürzlich unsers leider geschiedenen Mendelssohn Elias aufführten.
Von Ihren Konpositionen im Gebiete der Instrumentalmusik, Allverehrtester Meister, ist es nun die C moll Sinfonie², die hier noch nicht zu Gehör gekommen ist und zu welcher Partitur u Stimmen mir für wenige Wochen zu leihen ich Sie hiermit ersuche.
Da die Partitur wohl nur geschrieben ist, bitte mir die Anfrage erlauben zu dürfen, ob wir von derselben wohl eine Abschrift nehmen lassen dürfen? –
Bestimmter Cassenverhältnisse wegen hielt ich geeignet, die Anschaffung des Werkes noch einige Monate zu verzögern, u mochte gleichwohl gern eine baldige Aufführung desselben veranstalten, u dieselbe am 22^sten Jan. bei uns zu Gehör bringen; wofern Sie meinen Wunsch zu erfüllen geneigt sind.
Durch die musikalischen Zeitungen weiß ich Sie an der Composition einer für England bestimmten Sinfonie³, deren Veröffentlichung dann wohl nicht zu lange auf sich warten lassen wird.
Schließlich erlaube ich mir noch Ihnen unser hiesiges Publikum als eines der vielen zu bezeichnen, das Ihren Schöpfungen mit Vergnügen lauscht, u dankbar zu dem Meister emporblickt, dem die neue Zeit Vieles zu danken hat.
Empfangen Sie noch die Versicherung der größten Hochachtung des sich Ihnen ganz ergebenst empfehlenden

Carl Müller.