Autograf: Spohr Museum Kassel (D-Ksp), Sign. Sp. ep. 1.2 <18471202>
Beleg: Autographen. Historische Autographen, literarische Autographen, Musiker, Schauspieler und bildende Künstler, Stammbücher. Versteigerung am 20., 21. und 22. Oktober 1926 (= Katalog Liepmannssohn 48), Berlin 1926, S. 174f.

Breslau den 2. Dezember 47.
 
Hochgeehrter Freund und Gönner!
 
Es ist wiederum eine geraume Zeit verflossen, seit wir uns zuletzt geschrieben, so manches hat sich wieder begeben, und zwar manches Unerfreuliche. Daß wir im vorigen Sommer unsern Köhler verloren, wird Ihnen wohl bekannt geworden sein, er litt an einem gastrischen Fieber, wurde hergestellt, ging1 zu früh aus und bekam dann eine Lungenentzündung, welche mit Lungenlähmung endete; wir verloren in ihm einen lieben Freund und wackeren Künstler; — — und nun Mendelssohn, welcher Verlust für die Kunst! Wenn in dieser verflachten Kunstperiode noch solche Stützen verloren gehen, dann wird es immer schlimmer, wir hoffen indeß mit Freudigkeit Sie, den Grundpfeiler unseres Kunstgebäudes noch recht lange zu besitzen; wenn Sie nicht noch Alles in Respect erhielten, dann hörte Alles auf! Sie haben in England neue Lorbeeren geerntet, und auf dem Wege dahin die Frankfurter durch Ihr Spiel und Ihre Kompositionen entzückt; ich bin hier geblieben und rechne den Sommer zu den verlorenen, da ich Sie nicht sah und hörte; Herr Neumann, der Vater Ihres Schülers, brachte mir einen Gruß von Ihnen und freute sich, wie unverändert wohl aussehend er Sie gefunden. Schreiben Sie wieder etwas Neues? Eine Motette für Singstimmen und Orgel und neue Orgelkompositionen habe ich herausgegeben; meine Orgel, obgleich noch sehr schön, ist doch auseinandergenommen,2 und vom Staube gereinigt worden, jetzt ist sie in der Intonation und Stimmung begriffen, und wird um so schöner werden. Für Mendelssohns Andenken3 wurde kürzlich ein Konzert seiner Kompositionen gegeben4. Von Ihren Werken wurden auch in diesem Winter schon mehrere aufgeführt5. Wie steht es mit Ihren Konzerten?
Schreiben Sie mir freundlichst recht bald, ich sehne mich sehr darnach.
Ihrer werthen Frau Gemahlin, deren und Ihrer Familie, Fr. v. Malsburg und allen sonstigen Bekannten bitte ich mich bestens zu empfehlen; à propos, wo ist Bott? ich las Wunderbares mich Erschreckendes über ihn; wie verhält sich dies?
Leben Sie wohl, ich bin, wie immer
hochachtungsvoll
 
Ihr ergebener, dankbarer Verehrer
A. Hesse.

Autor(en): Hesse, Adolph
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Bott, Jean Joseph
Köhler, Ernst
Malsburg, Caroline von der
Mendelssohn Bartholdy, Felix
Neumann, J.G.
Erwähnte Kompositionen: Hesse, Adolph : Motetten, Ch Org
Erwähnte Orte: Breslau
Frankfurt am Main
London
Erwähnte Institutionen:
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1847120231

Spohr



Der letzte erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Spohr an Hesse, 03.03.1847. Spohr beantwortete diesen Brief am 11.12.1847.
 
[1] [Ergänzung 18.01.2022:] Hier gestrichen: „dann“.
 
[2] [Ergänzung 18.01.2022:] Hier gestrichen: „worden“.
 
[3] [Ergänzung 18.01.2022:] „Andenken“ über der Zeile eingefügt.
 
[4] [Ergänzung 18.01.2022:] „gegeben“ über der Zeile eingefügt.
 
[5] [Ergänzung 18.01.2022:] „aufgeührt“ über gestrichenem „gegeben“ eingefügt.
 
Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (13.04.2016).