Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel, Sign. 4° Ms. Hass. 287[Fluegel:1

Hochgeehrtester theurer Herr u. Meister!
 
Einer so hohen edeln Seele wie aus Ihren Compositionen springt, darf man wohl sagen, daß man sie lieb hat, ja, daß man ihr Schuldner geworden ist, ohne den Argwohn der Anmaßung befürchten zu müssen u als ein solcher Ihnen noch unbekannter Liebhaber u Schuldner habe ich mir erlaubt Ihnen meine vierte Sonate zuzueignen u füge nur noch die Bitte hinzu, dieselbe bei Herrn Hofmeister Übersendung, freundlich auf- u annehmen zu wollen.
Dies würde ich besonders daraus erkennen, wenn Sie die Güte hätten, ganz unverhohlen Ihre Meinung über das Werk mir zu sagen.
Dadurch würden Sie mir zugleich eine Aufmunterung zu Theil werden lassen, derer ich jetzt so sehr bedarf.
Im vorigen Monat starb nämlich fern von mir u ihren Kindern, in Wernigerode, im elterlichen Hause, mein geliebtes Weib nach dreivierteljährigen Leiden und hinterließ mir drei noch unerzogene Kinder, von denen ich gegenwärtig noch getrennt leben muß.1
Mögen Sie der Kunst u Ihren vielen Verehrern noch recht lange erhalten verehrtester Herr u Meister – mit diesem aufrichtigem Wunsche empfiehlt sich Ihnen u Ihrer verehrten Frau Gemahlin
 
Ihr ergebener
Gustav Flügel.
 
Stettin
am 28sten October
1847.

Autor(en): Flügel, Gustav
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Hofmeister, Friedrich
Erwähnte Kompositionen: Flügel, Gustav : Sonaten, Kl, op. 20
Erwähnte Orte: Wernigerode
Erwähnte Institutionen: Hofmeister <Leipzig>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1847102845

Spohr



Mit diesem Brief scheint die Korrespondenz zwischen Spohr und Flügel zu beginnen. Spohr beantwortete diesen Brief am 29.01.1848.
 
[1] In seiner Selbstbiografie schrieb Flügel hierzu: „Bekanntlich starb Mendelssohn am 4. November 1847, nachdem ihm seine vielgeliebte Schwester Fanny im Mai desselben Jahres vorausgegangen war, und auch meine Gattin starb am 21. September 1847 in Nöschenroda in der Wohnung ihrer Eltern, an einer auszehrenden Krankheit, mir drei kleine Kinder hinterlassend. Ende Juli hatte ich meine schon drei Jahre kränkelnde Frau in den Harz begleitet, von der reinen Gebirgsluft entschiedende Besserung ihres Zustands erwartend, war dann über Halberstadt und Köthen zur ersten Tonkünstler-Versammlung nach Leipzig gereist.” (Gustav Flügel, „Gustav Flügel”, in: Urania 39 (1882), S. 34ff., 50-54, 68ff., 102ff., 134ff., 150-153, 40 (1883), S. 2ff., 68-72, hier Bd. 39, S. 152). Die unterschiedlichen Ortsangaben erklären sich dadurch, dass das Dorf Nöschenroda bei Wernigerode liegt (heute eingemeindet).
 
Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (10.04.2015)