Autograf: Universitätsbibliothek Kassel – Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

Hochgeehrtester Herr General-Musikdirektor!

Indem ich beifolgend die uns gütigst überlassenen Musikalien vom Fall Babylons Ihnen zurücksende, habe ich von den Unternehmern der Musikaufführung den angenehmen Auftrag, Ihnen den hgerzlichsten Dank für Ihre eben so freundliche, als bereitwillige Unterstützung ausgesprochen, und bitte ich zugleich, auch den meinigen ins Besondere anzunehmen, der auf meine Anregung das ganze Unternehmen ins Leben trat, und dasselbe ohne Ihre Freundlichkeit gewiß nicht zu Stande gekommen wäre.
Die Aufführung selbst hat am vorigen Donnerstag am 23sten Sept.1, Nachmittags 2 Uhr in der Schloßkirche von 140 Sängern und 46 Orchestermusikern Stattgefunden2 und ist nach dem Urtheile aller Sachkenner, deren sich auch Manche von Halberstadt, Braunschweig, Magdeburg pp eingefunden hatten, eine sehr gelungene gewesen. Ich selbst stimme diesem Urtheile vollkommen bei, und hatte nur den einzigen Wunsch, der auch außer von mir noch von Manchen Ihrer vielen Verehrer ausgesprochen wurde, daß doch möchte der Componist zugegen sein, um sich von dem Eifer und von der Freude zu überzeugen, wovon Ausübende und Hörende beseelt waren.
Daß die Ausführung des Werkes hier so allgemein befriedigend war, gereicht uns Unternehmern um so mehr zu großer Freude, als wir bei der Vorbereitung dazu außergewöhnlich mit nicht geringen Mühen und Unannehmlichkeiten zu kämpfen hatten, zu deren Beseitigung jedoch3 H. Bönike, Organist an der hies. Hauptkirche, ein talentvoller junger Musiker, mich rühmlichst zur Seite stand. Namentlich hatte ich viel Noth mit Beschaffung der Musiker, die eine zweimalige Reise nach Halberstadt, so wie eine nach Ballenstedt u Magdeburg nöthig machten. Dafür aber hatten wir auch ein wirklich gutes Orchester, in welchem das Streichquartett aus 14 Violinen, 5 Violen, 4 Cellos u 3 Bässen bestand, an welchen ersteren sich auch vier Ihrer früheren Schüler (Fischer I u II, Wittig u Borchers) befunden. Die Gesangsolis waren, außer der Partie des Daniel, welche H. Musikdir. Wolff aus Halberstadt übernahm, sämmtlich durch hiesige Sänger fast durchgängig gut besetzt, Sopran, Alt u Baryton sogar (für Dilettanten) sehr gut. Nur schade ist es, daß der gegen meine Ansicht zu billig gestellte Preis der Einlaßkarten zu 10 Sgl. selbst bei einem Absatze von C. 700 Stück keinen Überschuß für unsere Armen gewährte, sondern kaum zur Deckung der Ausgaben für die Musiker – 192 Rth. – und zum Orchesterbau hinreichte. Ich für meine Person will jedoch gern die gehabten Reisekosten und manche andere Auslagen unberücksichtigt lassen, und freue mich nur, für die Aufführung dieses schönen Werkes thätig gewesen zu sein. Ohnehin bin ich ja belohnt genug, der mir sowohl durch das Studium des Werkes selbst, als durch die Direktion nicht geringer Nutzen erwachsen ist, und mich noch nie eine neuere Vocalcomposition so zu begeistern vermochte, als dieses Ihr Meisterwerk. Deßhalb aber auch fühle ich mich Ihnen für immer zum größten Danke gedrungen, und es wird mir stets heilige Pflicht sein, meine innige Verehrung für Sie zu beweisen, mit der ich auch jetzt bin

Ew. Wohlgeboren
ergebenster
ChrWackermann.

Quedlinburg,
d. 2ten Octob. 47.

Autor(en): Wackermann, Christoph
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Bönicke, Hermann
Borchers (Violinist)
Fischer, A.
Fischer, F.
Wittich, Carl
Wolff, Hermann
Erwähnte Kompositionen: Spohr, Louis : Der Fall Babylons
Erwähnte Orte: Quedlinburg
Erwähnte Institutionen: Singverein <Quedlinburg>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1847100246

Spohr



Der letzte erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Wackermann an Spohr, 03.09.1847.

[1] „am 23sten Sept.“ über der Zeile eingefügt.

[2] „Quedlinburg“, in: Allgemeine musikalische Zeitung 49 (1847), Sp. 810f.

[3] „jedoch“ über der Zeile eingefügt.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (04.04.2023).