Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287
Sr Hochwohlgeboren
dem General-Musikdirektor,
Hof-Capellmeister Dr Louis Spohr
Ritter pp
Cassel.
d. g. B.1
Rudolstadt, den 19ten August 1847.
Hochverehrtester Herr,
Ob Ihnen meine Zeilen vom 9ten Mai nebst Partitur zu meiner Oper: „die Belagerung von Solothurn“ eingehändigt worden sind? – Erstere sandte ich damals durch die Post, und Letztere hat das Theatergeschäftsbureau von Sturm & Koppe in Leipzig Ihnen gleichzeitig eingescickt. – Sollten Sie einige Augenblicke Ihrer Zeit der Beachtung meines Werkes opfern können, so darf ich gewiß einige geehrte Zeilen Ihrer Hand erwarten. Wenn mir durch Ihre gütige Fürsprache das Glück würde, die Aufführung meines Werkes auf der Casseler Bühne zu erleben, so möchte ich aber gern noch einige wesentliche Veränderungen, Kürzungen u dergl., die ich vor der ersten Leipziger Aufführung in der Originalpartitur getroffen habe, Ihnen zu seiner Zeit mittheilen.
Im günstigsten, wie im ungünstigsten Falle darf ich gewiß recht bald Ihrer geehrten Antwort entgegensehen, weil das Werk im Laufe des Herbstes in Dessau zur Aufführung angenommen ist, und ich deshalb meine Einrichtung wegen Ausschreiben eines neuen Exemplares zeitig treffen muß. Sollte mein Wunsch in Bezug auf die Aufführung bei Ihrer Hofbühne sich nicht realisiren, so bitte ich ergebenst die Partitur doch meiner Mutter, die während der Messzeit bei Herrn Thieme in Cassel logirt, gütigst an mich wieder gelangen zu lassen.
Ihnen, mein verehrtester Herr, danke ich so viel und doch führt mich eine unsichtbare Gewalt, auf die Gefahr lästig zu werden, immer wieder zu Ihnen. Ich weiß, daß ich von Ihnen Wahrheit über meine Fähigkeiten erfahren werde; daß eines Ihrer Worte – unverstellt gegen mich ausgesprochen – mir mehr gitl als alles Lob der Welt! –
Welche Anfeindungen ich durch den Neid einzelner Persönlichkeiten schon erdulden musste, wird Ihnen bekannt sein! Mich stimmt solche absichtlich persönliche Kränkung traurig, zumal ich genau die einzige Quelle kenne, aus der der Rezensent2 in der Leipziger musikal. Zeitung seinen Stoff schöpft.3 Nicht die Kunst liegt ihm am Herzen, Nein, er hat seine Feder willig von einem Böswilligen regiren lassen, ohne nur meine Partitur gesehen zu haben.
Aber doch auch Beweise der Theilnahme, wie ich sie nicht zu erwarten wagte, wurde mir vom Leipziger Publikum und vielen öffentlichen Blättern reichlich gezollt4, und manche interessante Geistesverbindung mit anerkannten Namen der Literatur & Kunst hat sich mir seit jener Zeit eröffnet, die meinen Muth wieder erheben, so daß ich fleißig vorwärts strebe.
In solcher Stimmung thut das Wort eines Mannes, der die größte Verehrung jedem einflößen muß, dem Herzen wohl. Was Sie auch über mein Werk urtheilen werden, für jedes Wort aus Ihrem Munde werde ich stets dankbar sein, und verharre auf Ihre gütige Nachsicht bauend in unbegrenzter Hochachtung und Ergebenheit als
Ihr
ergebenster
Ferd. Brandenburg.
Autor(en): | Brandenburg, Ferdinand |
Adressat(en): | Spohr, Louis |
Erwähnte Personen: | Brandenburg (Mutter von Ferdinand Brandenburg) Lobe, Johann Christian Thieme, Johann Michael |
Erwähnte Kompositionen: | Brandenburg, Ferdinand : Die Belagerung von Solothurn |
Erwähnte Orte: | Kassel Leipzig |
Erwähnte Institutionen: | Hoftheater <Dessau> Hoftheater <Kassel> Stadttheater <Leipzig> Sturm & Koppe <Leipzig> |
Zitierlink: | www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1847081940 |
Der letzte erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Brandenburg an Spohr, 03.05.1847.
[1] „Schließt man den Brief Jemanden zur Uebergabe bei, so schreibt man auf die Adresse: ,Durch Inlage‘ – ,durch Beischluß‘ – ,durch Einschluß‘ – ,durch Güte‘ oft auch abgekürzt nur die Anfangsbuchstaben: d. I. – d. B. – pr. E. – d. G. –“ (Neuester und vollständigster deutscher Universal-Muster-Briefsteller, sowie österreichischer Privat-Geschäfts-Secretär, welcher alle im bürgerlichen Leben vorkommenden schriftlichen Aufsätze zu verfassen lehrt, Bd. 1, o.O. [1842], S. 124). – Da Brandenburg später im Brief bittet, das Textbuch seiner Oper seine in Kassel anwesenden Mutter abzugeben, überbrachte diese vermutlich auch diesen Brief.
[2] Johann Christian Lobe.
[3] Vgl. [Johann Christian Lobe], „Die Belagerung von Solothurn“, in: Allgemeine musikalische Zeitung 49 (1847), Sp. 273-277; ders., „An den Herrn Hofmusiklehrer Ferd. Brandenburg zu Rudolstadt“, in: ebd., Sp. 396ff.; ders., „Letzte Erklärung“, in: ebd., Sp. 502.
[4] Vgl. A[ugust] F[erdinand] Riccius, „Ferd. Brandenburg’s Oper: Die Belagerung von Solothurn“, in: Neue Zeitschrift für Musik (1847), S. 151f., 155f., 159f., 170ff. und 178ff.; „Eine neue deutsche Oper“, in: Charivari (1847), S. 3820; „Leipzig, 12. April“, in: Leipziger Zeitung (1847), S. 1717.
Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (18.02.2022).