Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287[Firnhaber:15

Lieber Herr Capellmeister!

Der plötzliche heftige Ausbruch meines dienstlichen Gewissens hat mir gestern, um jede Störung des friedlichen schönen Abends zu verhindern, die Pflicht auferlegt, mich so heimlich u so schnell mir möglich auf u davon zu machen, ohne Ihnen erst noch die Hand zum Abschied gereicht zu haben.1 Kann ich nun gleich hoffen, daß durch den Mund Ihrer lieben Fr. Schwägerin2 meine Segenswünsche für die bevorstehende Reise mir meine Bitte für die demnächstige Rückkehr an Ihr Herz gelegt werden, so kann ich mir doch nicht das Vergnügen versagen, Ihnen erst noch diese Worte zuzusenden. Es sollen Ihnen dieselben zunächst meine freudigste Dankbarkeit ausdrücken für das unveränderte Wohlwollen, welches Sie u Ihre liebe Frau mir bewahrt haben, für die genußreichen Stunden, die ich in Ihrer Nähe verleben durfte, u die den herrlichen deutschen Mann wieder tief in meine Seele eingeprägt haben; sie sollen aber auch die Bitte, wiederhohlen, daß Sie auf Ihrer Rückfahrt, falls Sie nicht zu sehr dadurch in Ihrem Plane behindert werden, Wiesbaden berühren u in meiner einfachen Wohnung einfahren wollen. Ich kann Ihnen zwar nichts als ein treues verehrendes Herz darbieten, aber dagegen nehme ich dann3 auch nur den Menschen in Ihnen in Anspruch u überlasse es Ihnen, ob Sie einen ganz kleinen Kreis hoher Verehrer dann im herrlichen Reunionssaale durch Ihr Spiel entzücken wollen. Wir würden darüber glücklich seyn u vielleicht darin einen Anlaß finden zur Concentrirung gewißer vereinzelter hiesiger Kräfte – aber ich verspreche, durchaus nichts ohne Ihre Einwilligung zu thun. Erhielte ich diese d.h. schrieben Sie oder Ihre liebe Frau vielleicht von Cöln aus oder gar von London zwei Worte, so würde des Glückes u der Freude allerdings kein Ende seyn u ich sorgte für einen tüchtigen Cellisten.4
Indeß, ich wiederhole es, wir d.h. meine Frau u ich, fassen für den Augenblick nur die liebe Persönlichkeit Ihrer Selbst u Ihrer Umgebung in’s Auge u unterlassen jeden unverschämten Wunsch, indem wir selbst – falls es durchaus nicht anders geht – schon zufrieden seyn wollen, die Paar Stunden mit Ihnen in Biebrich zu verleben, welche zwischen der Ankunft des Dampfers u der Abfahrt der Eisenbahn zu liegen pflegen.
Mit den herzlichsten Wünschen für eine glückliche ungetrübte Reise u dem Ausdrucke der innigsten Verehrung für Sie u Ihre liebe Begleitung d.h. für den General u seine Adjudantur

Ihr
treu ergebenster
Firnhaber

Wiesb. d. 24st Jun.5 1847

Autor(en): Firnhaber, Carl Georg
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Pfeiffer, Caroline
Spohr, Marianne
Erwähnte Kompositionen:
Erwähnte Orte: Biebrich
Köln
London
Erwähnte Institutionen:
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1847062448

Spohr



Der letzte erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Firnhaber an Spohr, 04.04.1847. Der nächste erschlossene Brief dieser Korrespondenz ist Spohr an Firnhaber, vermutlich 27.07.1847.

[1] Das Ehepaar Spohr reiste auf dem Weg nach London über Frankfurt am Main. Marianne Spohr beschreibt den von Firnhaber erwähnten Abend: „Große Gesellschaft: die Verwandten nebst der Lindheimerschen Familie, Dr. Schlemmers, und alle die ehmaligen Casselaner uns zu Ehren. Spohr sehr vergnügt“ (Tagebucheintrag 23.07.1847). Bereits am Vortag trafen Spohrs und Firnhaber im Salon des Verlegers André zusammen (ebd., 22.07.1847; „[Man schreibt aus Frankfurt a.M.]“, in: Humorist 11 (1847), S. 667).

[2] Caroline Pfeiffer.

[3] „dann“ über der Zeile eingefügt.

[4] Marianne Spohr berichtete in ihrem Tagebucheintrag vom 28.07.1847 von diesem Besuch.

[5] Die Datierung könnte auch als „Jan.“ gelesen werden. Das korrekte Datum ergibt sich aus der erwähnten Gesellschaft am Vortag (vgl. Anm. 1) und der ebenfalls erwähnten „Rückfahrt“ (von London).

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (04.12.2020).