Autograf: Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung mit Mendelssohnarchiv (D-B), Sign. Mus.ep. Spohr-Correspondenz 2,224
Druck: [Ernst Rychnovsky], Beschreibendes Verzeichnis der Autographen-Sammlung Fritz Donebauer in Prag, 2. Aufl., Prag 1900, S. 283
Beleg 1: Autographen-Sammlung enthaltend Musiker-Briefe und Musik-Manuskripte aus dem Nachlasse des berühmten Komponisten Louis Spohr (1784-1859) nebst Beiträgen aller Art (Fürsten,Staatsmänner, Dichter, Gelehrte, Künstler, etc.) aus dem Besitz eines bekannten Berliner Sammlers. Versteigerung zu Berlin Montag, den 15. und Dienstag, den 16. Oktober 1894 (= Katalog Liepmannssohn), Berlin 1894, S. 69
Beleg 2: Sammlung Fritz Donebauer, Prag. Briefe, Musik-Manuscripte, Portraits zur Geschichte der Musik und des Theaters. Versteigerung vom 6. bis 8. April 1908 (= Katalog Stargardt), Berlin 1908, S. 97
Beleg 3: Georg Kinsky, Versteigerung von Musiker-Autographen aus dem Nachlaß des Herrn Kommerzienrates Wilhelm Heyer in Köln im Geschäftslokal der Firma Karl Ernst Henrici. Montag, den 6 und Dienstag, den 7. Dezember, Bd. 1, Berlin 1926, S. 101

Hochgeschätzter Freund!
 
Nach einem ziemlich langen Zwischenraume bin ich nun doch endlich so weit, Ihnen über unsere Preis-Angelegenheit wieder einmal etwas berichten zu können, obgleich dies für die Sache nicht sehr günstig lautet. – Da in Folge der unterm 25. Juni vor. J. veröffentlichten Preisausschreibung1 (Concertante für Violin, Viola und Violoncell mit Orchesterbegleitung) nur ein Manuscript [und noch dazu eins, welches ganz gewiß keinen Preis verdient]2, eingegangen ist, was doch jedenfalls von gar zu geringer Theilnahme an dieser gewiß in der besten Absicht gegründeten Richtung zeigt, so muß dieselbe natürlich für null und nichtig erklärt werden, und eben dieser Umstand gab mir Veranlassung, meinem Fürsten einen ziemlich weitläufigen schriftlichen Bericht hierüber zu erstatten, dessen Sinn in kürzern Worten folgender ist:
„Diese ganz geringe Theilnahme sowohl als auf die schon bei der ersten Preisausschreibung gemachten Erfahrung, daß die bedeutenden Künstler keineswegs Lust zu derlei Bewerbungen zu haben scheinen, regt unwillkürlich die beiden Fragen an 1.) ob überhaupt derlei Institute für die Kunst von dem Nutzen sind, den man sich in der Regel gerne davon verspricht? und 2.) auf welchem Wege dieses an und für sich gemäß schöne Ziel am ehesten zu erreichen wäre? – Da meine individuelle Ansicht inwartig3 ist, daß ich die erste dieser beiden Fragen unbedingt verneinend beantworten müßte, indem alle solche Projecte, wenn sie noch so gut gemeint sind, stets an unvollkommener Ausführung schweitern werden, so will ich mit näherem Eingehen in dieselbe mich gar nicht befassen, sondern mich blos auf möglichste Erledigung der zweiten beschränken. – Ohne Zweifel ist es zur Erreichung des vorangestellten Zieles nöthig, daß so viel als möglich alle Kräfte sich an der Sache betheiligen. Um dieses zu erlangen, genügt, wie die Erfahrung zeigt, der bisher verfolgte Weg nicht, und es müßten daher geeignetere Mittel aufgesucht werden, um auf die bedeutenderen, und wo möglich auf die ersten Componisten zur Bewerbung zu bewegen.
Kann dieses nicht erreicht werden, so wird das ganze Institut immer nur auf einer niedern Stufe stehen bleiben, und es fällt daher jeder etwa hieraus hervorgehender Nutzen für die Kunst von selbst weg. In diesem Falle wären es ganz ohne Zweifel zweckmäßiger, diese gewiß in der anerkennungswerthesten Absicht gegründete Stiftung ganz aufzugeben und die hiefür bestimmte Summe für andere musikalische Zwecke zu verwenden.
Soll sie aber fortbestehn und soll der hiebei beabsichtigte Nutzen für die Kunst im Allgemeinen erzielt werden, so wäre nach meiner Ansicht nöthig, daß größere Preise ausgesetzt würden, damit eben dadurch auch die bereits anerkannten und berühmten Componisten, welche sich natürlich nicht mehr mit der Ehre allein begnügen wollen, sondern aus ihren Werken zugleich einen größeren materiellen Gewinn zu ziehen gewöhnt sind, zur Concurrenz angeeifert werden, zu welchem Zwecke dann nur alle 2-3 Jahre eine Preisausschreibung erfolgen dürfte, damit die jährlich hiefür bestimmte Summe unter der Zeit sich gehörig anhäufen kann u.s.w.”
In Folge dieses Berichtes, mit welchem mein Fürst in der Hauptsache einverstanden ist habe ich nun den Auftrag, Sie um Mittheilung Ihrer Ansicht hierüber zu bitten, indem mein Herr gesonnen ist, vor dem Ausspruch einer definitiven Resolution die Ansichten der Herrn Preisrichter abzuwarten. –
Nachdem nun die Geschäfte abgemacht sind, so erlaube ich mir noch, Ihnen, mein verehrter Gönner und Freund, nachträglich meinen aufrichtigen Glückwunsch zu Ihrem 25jährigen Dienst-Jubiläum abzustatten und Sie zuversichern, daß ich an den Ihnen bei dieser Gelegenheit zu Teil gewordenen Ehrenbezeugungen, den herzlichsten Antheil nehme, denn nicht wohl können dieselben einen Würdigeren treffen, als unsern Großmeister Spohr, und erfreulich ist es ohne Zweifel für jeden jüngern Künster, das alte Sprichwort „dem Verdienste seine Krone wieder neu bewährt zu sehen. Gott erhalte Sie der Kunst noch lange und lasse Sie noch viel[e] vergnügte und thatenreiche Jahre erleben!
Indem ich Ihnen und Ihrer Frau mich und die Meinigen bestens empfehle, verbleibe ich in der Hoffnung baldiger Nachricht mit den bekannten Gesinnungen von ganzem Herzen
 
Ihr
Th. Täglichsbeck
 
Hechingen, am 6. Juni 1847.

Autor(en): Täglichsbeck, Thomas
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Friedrich Wilhelm Constantin Hohenzollern-Hechingen, Fürst
Erwähnte Kompositionen:
Erwähnte Orte: Kassel
Erwähnte Institutionen:
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1847060743

Spohr



Der letzte erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Täglichsbeck an Spohr, 07.03.1846. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Täglichsbeck an Spohr, 27.07.1848.
 
[1] Vgl. Th[omas] Täglichsbeck, „Anzeige”, in: Neue Zeitschrift für Musik 25 (1846), S. 3f.
 
[2] Als Einfügung am Rand notiert.
 
[3] Vermutlich süddeutsches Dialektwort (vgl. Radlof, Trefflichkeiten der südteuschen MundArten zur Verschönerung und Bereicherung der SchriftSprache, München und Burghausen 1811, S. 177).
 
Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (17.05.2016).