Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

Sr Hochwohlgeboren Herrn Herrn General-Musik-Director
Dr Louis Spohr!

Dieses hohe Glück glaubte ich mir kaum zu bevorstehen, daß meine Arbeit, welche durch Herrn Director Kittl an Euer Hochwohlgenboren angesandt wurde1, in die Hände jenes größten und berühmtsten Meisters, dessen verdienstvollen Namen ich trage, gelangen würde. All das mir wenig erworbene Verdienst in mehreren öffentlichen Blättern2 machte mich nicht in jenem Grade glücklich, als ich es durch das von Euer Hochwohlgeboren an Herrn Direktor Kittl eingesandte Schreiben3 wurde; ein Glück, dessen verdienstlich zu machen mich mein Streben sein soll. –
Nach der Concert-Ouverture schrieb ich zu meinem mir bestehenden Austritte aus dem Conservatorium, welcher den 6 August 1846 war, ein Concertino für die Clarinette, das eben so guten Anklang hatte, und die volle Anerkennung der werthen Herren Directors, der Herrn Professoren, so wie der zugegen gewesenen Conservatoriums-Direction fand. – Da ich nun seit dem Austritte aus dem Conservatorio ganz vagant bin, und doch Beschäftigung haben wollte, so wagte ich es, eine Sinfonie (c-moll) zu schreiben, die ich am 14. Februar beendigte, und sie sogleich zur weisen Einsicht Herrn Directors nach Prag abschickte, auf dessen darüber ausgesprochene Meinung ich noch sehnlichst harre. Auch eine früher geschriebene Ouverture arbeitete ich um. –
Doch auf dem Lande, wo ich mich jetzt befinde, fühle ich mich dessen beaubt, was einem angehenden Musiker zur weiteren Ausbildung unumgänglich nothwendig zu sein ich glaube, nämlich: das Hören klassischer Musikstücke. Die Musik auf dem Lande steht noch auf einer ziemlich niedern Stufe, und keine unmöglich zu einer weiteren Ausbildung beitragen, dieses bedauere ich, da ich nicht jeden tag in der Kunst einen Schritt vorwärts zu thun vermag.
Weil nun Sr Hochwohlgeboren mir in dem Schreiben an Herrn Director Kittl Hoffnung zukommen ließen, und Dero geschenktes Zutrauen zu meinen Eltern in Carlsbad4 mich in derselben bestärkte, in Euer Hochwohlgeboren Nähe zu kommen, um noch das nöthigte zu meiner weiteren Vervollkommnung huldvollst beizutragen, so bitte ich Euer Hochwohlgeboren, vielmal um Vergebung, daß ich es wage, in diesem Schreiben meine Bitte vorzulegen: Euer Hochwohlgeboren mögte sich meiner huldvollst erinnern, wenn sich eine Unterkunft in Dero großem Wirkungskreise für mich darböte. Sollte mir das Glück gegönnt sein, so würde ich sehr beten, auch mit einigen Zeilen zu beglücken. Ich befinde mich gegenwärtig in Heinrichsgrün, bei Karlsbad, bei meinen Eltern.
Von mir und meinen Eltern an Sr Hochwohlgeboren und Dero Hochschätzbarsten Gattin einen Handkuß.
Es unterzeichnet sich mit der größten Achtung

Euer Hochwohlgeboren
ergebensten
Karl Spohr

Heinrichsgrün 17/3 47.

Autor(en): Spohr, Karl
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Kittl, Johann Friedrich
Erwähnte Kompositionen: Spohr, Karl : Concertino, Cl Orch
Spohr, Karl : Ouvertüren
Spohr, Karl : Sinfonien
Erwähnte Orte: Karlsbad
Kassel
Prag
Erwähnte Institutionen: Konservatorium <Prag>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1847031740

Spohr



[1] Johann Friedrich Kittl an Spohr, 18.06.1846.

[2] Vgl. „Prag. Februar“, in: Allgemeine musikalische Zeitung 48 (1846), Sp. 229f., 238-245, 252-257 und 269-272, hier Sp. 255; „Musikalisches aus Prag (Im März 1846)“, in: Wiener allgemeine Musik-Zeitung 6 (1846), S. 167f. und 177, hier S. 177; „[Das zweite Concert unseres trefflichen Conservatoriums]“, in: Bohemia 13.03.1846, nicht paginiert; P., „Zweites Concert des Conservatoriums“, in: ebd., 17.03.1846, nicht paginiert.

[3] Spohr an Kittl, 03.08.1846.

[4] Spohr erwähnt dies in seinem Brief an Kittl.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (08.03.2022).