Autograf: Spohr Museum Kassel (D-Ksp), Sign. Sp. ep. 1.1 <18470303>
Beleg: Autographen. Historische Autographen, literarische Autographen, Musiker, Schauspieler und bildende Künstler, Stammbücher. Versteigerung am 20., 21. und 22. Oktober 1926 (= Katalog Liepmannssohn 48), Berlin 1926, S. 174f.

Cassel den 3ten
März 1847
 
Geehrter Freund,
 
Im Begriff, Ihnen zu schreiben und Ihnen für Ihren freundlichen Glückwunsch zu danken, empfange ich die Botschaft von dem Tod Ihres Vaters und beeile mich nun um so mehr, Sie unserer herzlichsten Theilnahme zu versichern. Wer, wie ich, schon so viele Mitglieder seiner Familie verloren hat, weiß solchen Schmerz zu wüdigen! Doch muß ich Sie im Vergleich zu mir noch glücklich preisen, daß Sie die Mutter, und zwar so nahe, noch besitzen! Möge der Himmel Sie Ihnen noch wohl lange erhalten.
Beyliegend sende ich Ihnen ein kl. Büchlein über das Fest1, dessen Erscheinen ich abwartete, um Ihnen zu schreiben. Die Herausgabe hat sich aber nun von einer Woche zur andern verzögert, sonst hätte ich nicht so lange gezögert, Ihren lieben Brief zu beantworten.
Daß mir das Fest und die herzliche Theilnahme, die sich bey allen Klassen meiner Mitbürger zeigte, viele Freude bereitet hat, können Sie leicht denken, doch habe ich dabey auch manchen peinlichen Moment zu überstehen gehabt, wie Sie aus dem Büchelchen wohl ersehen werden. Am meisten hat es mich überrascht, daß der Prinz solch lebhaften Antheil daran hahm und mich mit Artigkeiten überhäufte und sehr gespannt bin ich nun zu sehen, ob es von Dauer seyn wird.
Ich weiß nicht, ob ich Ihnen bereits geschrieben habe, daß ich nächsten Sommer noch einmal nach London gehe, um dort in Exeter-Hall an 3 Abenden meine sämtlichen Oratorien zu dirigiren.2 Meine Frau die eine solche Aversion vor dem Meere hat, hat sich doch nun an den Gedanken gewöhnt, noch einmal zu Schiff zu gehen. Wir werden aber die kürzeste Überfahrt von Ostende3 nach Dover wählen.
Es wird nach den Zeitungen ein interessanter Zusammenfluß berühmter Künstler dort stattfinden. Ich freue mich sehr auf die Reise.
Leben Sie wohl. Mit wahrer Freundschaft stets ganz
 
der Ihrige
Louis Spohr

Autor(en): Spohr, Louis
Adressat(en): Hesse, Adolph
Erwähnte Personen: Friedrich Wilhelm Hessen-Kassel, Kurfürst
Hesse, Friedrich
Spohr, Marianne
Erwähnte Kompositionen: Spohr, Louis : Der Fall Babylons
Spohr, Louis : Des Heilands letzte Stunden
Spohr, Louis : Die letzten Dinge
Erwähnte Orte: Dover
Kassel
London
Ostende
Erwähnte Institutionen: Sacred Harmonic Society <London>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1847030301

Spohr



Dieser Brief ist die Antwort auf Hesse an Spohr, 30.01.1847 und 26.02.1847. Der nächste Brief dieser Korrespondenz ist Hesse an Spohr, 02.12.1847.
 
[1] Spohr’s Jubel-Fest im Januar 1847, Kassel 1847. 
 
[2] [Ergänzumg 29.05.2020:] Edward Taylor an Spohr, 11.12.1846 zeigt hingegen, dass zu diesem Zeitpunkt bereits nur an die Aufführung von zwei Oratorien gedacht war, wobei eines wiederholt werden sollte (vgl. Karl Traugott Goldbach, „,daß die dabei gehaltene Predigt großentheils gegen sein Oratorium gerichtet war' – Zur Rezeption von Des Heilands letzte Stunden in Großbritannien”, in: Die Oratorien Louis Spohrs. Kontext – Text – Musik, hrsg. v. Dominik Höink, Göttingen 2015, S. 307-339, hier S. 328ff.).
 
[3] [Ergänzung 18.01.2022:] Hier gestrichen: „wählen“.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (13.04.2016).