Autograf: Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung mit Mendelssohnarchiv (D-B), Sign. 55 Nachl. 76,280
Druck 1: [Friedrich Oetker], Spohr’s Jubel-Fest im Januar 1847, Kassel 1847, S. 22 (teilweise)
Druck 2 und Faksimile: Edward Speyer, Wilhelm Speyer der Liederkomponist 1790-1878. Sein Leben und Verkehr mit seinen Zeitgenossen dargestellt von seinem jüngsten Sohne, München 1925, S. 296f.

Ffurt am 23. Jan 1847.
 
Theurer Freund!
 
Vor einiger Zeit las ich in den Zeitungen, daß Ihr 25jähriges Amts-Jubiläum am 24 d. gefeiert werden solle. Dieses Schreiben sollte nun an jenem Tage in Ihre Hände kommen, allein gerade heute lese ich in der Hanauer Zeitung, daß die Feier am 20. stattgefunden hat u. Sie bereits an diesem Tage zum Generalmusikdirektor ernannt worden sind. Daher die Verspätung dieses Briefes.
Und nun aus der Fülle meines, Ihnen mit der innigsten Liebe und der treuesten Anhänglichkeit zugethanen Herzens, empfangen Sie meinen und der meinigen Glückwunsch zu der seltenen Feier. Doch mögen Sie sich selbst Glück wünschen und die große Gnade Gottes erkennen, daß er Sie wie wenie ausersehen hat, eine ruhmvolle Laufbahn als Mensch und Künstler in ungetrübter Heiterkeit und frohem Selbstbewußtsein zu durchleben. Möge nun der Himmel Sie bis in das späteste Lebensalter schützen, erhalten, und Ihnen alles das bewahren, was den reinen Menschen zu erfreuen, zu beglücken vermag.
Wie gerne würde ich der Feier beigewohnt und mich der Theilnahme so vieler Freunde und treu Angehörigen angeschlossen haben, doch mußte ich mich darauf beschränken, Ihre Büste mit einem frisch grünenden Lorbeerkranz zu schmücken, was einigermaßen die festliche Stimmung bei mir und den Meinigen erhöhte. – Die Briefe, die Sie mir vor fünfundzwanzig Jahren aus Dresden und Cassel schrieben1 überlas ich heute und gedachte dabei mit Rührung, Freude und Leidmut, was Freudiges, was Schmerzliches ich in diesem Zeitraum zu erfahren hatte. Ich gedachte auch der veränderten Lebensansichten, die sich in mir entwickelt hatten, der bitteren Erfahrungen, die ich gemacht und mancher zerstörten Hoffnungen und Wünsche. Aber das stand bei mir fest, daß das Band treuer Anhänglichkeit u. Freundschaft, das mich an Sie fesselt, nicht loser geworden ist. Und so wollen wir es auch künftig halten. Unveränderte Gesinnung bis an den Tod!
Wenn ich einige Notizen über die Feier erhalten könnte, wäre es mir sehr erwünscht. Ich habe Ihre sämtlichen Briefe, wohl 100 Stück, seit dem Jahre 1818 in einen dicken Band heften lassen und würde die Beschreibung der Festlichkeiten als Ergänzung beilegen. An der Spitze dieser Korrespondenz befindet sich der Brief Ihres Vaters aus Gandersheim v. 22 März 1820 worin er mir dankt, daß ich ihm schneller Ihre glückliche Ankunft in London mittheilte, und der Familie nach einer verzweiflungsvoll durchwachten Nacht, einen seligen vergnügten Tag bereitete.2
Und nun, theuerster Freund leben Sie wohl! Die herzlichsten Grüße von meiner Frau u. den Meinigen an Sie u. Ihre liebe Frau, die so sehr würdig ist, glücklich zu sein, da sie Ihre Lebenstage beglückt.
Mit der herzlichsten Liebe u. treuer Anhänglichkeit
 
stets Ihr Wm.Speyer.

Autor(en): Speyer, Wilhelm
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Spohr, Carl Heinrich
Erwähnte Kompositionen:
Erwähnte Orte: Dresden
Gandersheim
Kassel
London
Erwähnte Institutionen: Hoftheater <Kassel>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1847012332

https://bit.ly/

Spohr



Der letzte erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Spohr an Speyer, 29.03.1846. Spohr beantwortete diesen Brief am 04.03.1847.
 
[1] Vgl. Spohr an Speyer, 02.01.1822, 25.01.1822 und 27.02.1822
 
[2] Carl Heinrich Spohr an Speyer, 22.03.1820.
 
Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (12.03.2016).

Frankfurt, 23. Januar 1847.
 
Teurer Freund!
 
Vor einiger Zeit las ich in den Zeitungen, daß Ihr fünfundzwanzigjähriges Amtsjubiläum am 24. dieses gefeiert werden soll. Dieses Schreiben sollte nun an jenem Tage in Ihre Hände kommen, allein gerade heute lese ich in der Hanauer Zeitung, daß die Feier am 20. stattgefunden hat und Sie bereits an diesem Tage zum Generalmusikdirektor ernannt worden sind. Daher die Verspätung dieses Briefes.
Und nun aus der Fülle meines Ihnen mit der innigsten Liebe und der treuesten Anhänglichkeit zugetanen Herzens empfangen Sie meinen und der Meinigen Glückwunsch zu der seltenen Feier. Doch mögen Sie sich selbst Glück wünschen und die große Gnade Gottes erkennen, daß er Sie wie wenie ausersehen hat, eine ruhmvolle Laufbahn als Mensch uned Künstler in ungetrübter Heiterkeit und frohem Selbstbewußtsein zu durchleben. Möge nun der Himmel Sie bis in das späteste Lebensalter schützen, erhalten, und Ihnen alles das bewahren, was den reinen Menschen zu erfreuen, zu beglücken vermag.
Wie gerne würde ich der Feier beigewohnt und mich der Teilnahme so vieler Freunde und treu Angehörigen angeschlossen haben, doch mußte ich mich darauf beschränken, Ihre Büste mit einem frischgrünenden Lorbeerkranz zu schmücken, was einigermaßen die festliche Stimmung bei mir und den Meinigen erhöhte.
Die Briefe, die Sie mir vor fünfundzwanzig Jahren aus Dresden und Cassel schrieben, überlas ich heute und gedachte dabei mit Rührung, Freude und Leidmut, was Freudiges, was Schmerzliches ich in diesem Zeitraum zu erfahren hatte. Ich gedachte auch der veränderten Lebensansichten, die sich in mir entwickelt hatten, der bitteren Erfahrungen, die ich gemacht und mancher zerstörten Hoffnungen und Wünsche. Aber das stand bei mir fest, daß das Band treuer Anhänglichkeit und Freundschaft, das mich an Sie fesselt, nicht loser geworden ist. Und so wollen wir es auch künftig halten. Unveränderte Gesinnung bis an den Tod!
Wenn ich einige Notizen über die Feier erhalten könnte, wäre es mir sehr erwünscht. Ich habe Ihre sämtlichen Briefe, wohl hundert Stück, seit dem Jahre 1818 in einen dicken Band heften lassen und würde die Beschreibung der Festlichkeiten als Ergänzung beilegen. An der Spitze dieser Korrespondenz befindet sich der Brief Ihres Vaters aus Gandersheim vom 22. März 1820, worin er mir dankt, daß ich ihm schneller Ihre glückliche Ankunft in London mitteilen konnte und dadurch der Familie nach einer verzweiflungsvoll durchwachten Nacht einen seligen, vergnügten Tag bereitete.
Und nun, teuerster Freund, leben Sie wohl! Die herzlichsten Grüße von meiner Frau und den Meinigen an Sie und Ihre liebe Frau, die so sehr würdig ist glücklich zu sein, da sie Ihre Lebenstage beglückt.
Mit der herzlichsten Liebe und treuer Anhänglichkeit, stets
Ihr
Wm.Speyer.