Autograf: nicht ermittelt.
Druck: [Friedrich Oetker], Spohr’s Jubel-Fest im Januar 1847, Kassel 1847, S. 34f.

Hochgefeierter Mann!

Wenn die edelsten Geister des In- und Auslandes süß duftende Blumen zu Ihrem schönen Feste brachten1, so zürnen Sie dem letzten Dichter des Hessenlandes nicht, wenn er es wagt, dieses beikommende Veilchen auf Ihren Fest-Altar zu legen, und zwar als ein verspätetes verkümmertes Gewächs. Der arme Geber kann zwar zu dem Ruhme nichts beitragen (zu dem Ruhme, der sich über die ganze civilisirte Erde Bahn gebrochen hat), jedoch konnte er dem innern Drange nicht widerstehn, Etwas in größter Schüchternheit zum schönen Feste zu bringen. Ich bitte um freundliche Aufnahme und um Genehmigung der Versicherung meiner unwandelbaren Liebe.

Dietrich Weintraut


Wem gilt der laute Jubel am stillen Fuldastrand?
Wem gilt der Ruf der Freude durchs ganze deutsche Land?
Er gilt dem großen Meister, dem Könige der Töne,
Deß Name herrlich strahlet in hoher Götterschöne,
Der Millionen Herzen mit seiner Kraft besiegt,
Der wie ein Aar zur Sonne auf goldnen Schwingen fliegt,
Der goldne Erzestufen aus tiefem Schacht gezogen,
Der reiche Schätze zeigt mit seinem Zauberbogen.
Drum glänzt von Newas Ufern bis fern nach Baltimor,
Drum strahlt in allen Zonen der Name Louis Spohr,
Wo an bemoos’ten Steinen die Runenschriften stehen,
Und wo um Romas Palmen die sanften Weste wehen,
Und wo der hohe Aetna mit Flammenzungen spricht,
Und wo der Rhein, der deutsche, sich Bahn durch Gletscher bricht,
Und wo im Morgenlande die Karavanen ziehn,
Ertönen deutsch und kräftig die Spohr’schen Melodien ...
„Noch leuchten deine Sterne am hohen Himmelszelt”2,
Die Sprache deines Geistes versteht die ganze Welt;
Wie heitre Liebes-Götter erscheinen Deine Töne,
Dir gab den Kuß der Weihe die lieblichste Kamöne.3
Und pflückt Dir manche Blume der deutsche Dichterkreis,
So nimm vom kleinsten Dichter auch dieses Blätterreis.

Autor(en): Weintraut, Dietrich
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen:
Erwähnte Kompositionen:
Erwähnte Orte:
Erwähnte Institutionen:
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1847011547

Spohr



Der Vorlage zufolge ist der Text hier gekürzt („Wir theilen Brief und Dichtung (mit einigen Auslassungen) hier mit” (Spohr’s Jubel-Fest, S. 34). Spohrs Ausführung in seinem Antwortbrief vom 06.02.1847, „ auch alle meine hiesigen Freunde bewundern ihr schönes Talent, welches um so mehr überrascht, da es einem Mann angehört, der doch nur seine Erholungsstunden der Ausbildung desselben widmen konnte”, könnte ein Hinweis sein, dass Weintraut in seinem Brief auch erwähnte, dass er seinen dichterischen Tätigkeiten neben seinem Broterwerb als Lohgerber nachging (vgl. Wilhelm Schoof, „Aus dem Briefwechsel des Marburger Volksdichters Dietrich Weintraut”, in: Hessenland 17 (1903), S. 173-176 und 189f., hier S. 174).

[1] Feier zu Spohrs 25jährigem Kasseler Amtsjubiläum (vgl. Spohr’s Jubel-Fest).

[2] Zitat aus einer Arie in Spohrs Oper Die Kreuzfahrer III,2.

[3] Kamöne = Muse (vgl. Leopold Ziegelhauser, Allgemeine populäre Götterlehre, Wien 1837, S. 115).

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (15.04.2015).