Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms.hist.litt.15[161
Beleg 1: Goethe in den Briefen seiner Zeitgenossen ; Briefe aus dem Weimarer Kreis ; Briefe deutscher Dichter und Schriftsteller ; Musikerautographen aus dem Nachlaß Friedrich Schneiders in Dessau († 1853) und anderem Besitz ; Versteigerung 19. Mai 1913 (= Katalog Henrici 15), Berlin 1913, S. 61
Beleg 2: Autographen von Musikern, darstellenden und bildenden Künstlern (darin eine italienische Sammlung). Versteigerung 20. Oktober 1913 (= Katalog Henrici 17), Berlin 1913, S. 31

Sr. Wohlgeb.
Herrn Hofkapellmeister
Dr. Fr. Schneider
in
Dessau
 
 
Cassel den 14ten Jan.
1847
 
Hochgeehrter Freund,
 
Herzlichen Dank, daß Sie meine Bitte so freundlich erfüllt haben! Wir werden Ihr berühmtes Werk mit der größten Genauigkeit einüben und so gut geben, als es unsere vereinten Kräfte gestatten.
Ihre Anfrage wegen meiner, Ihnen noch unbekannten Kompositionen, beantworte ich in der Folge, wie Sie sie gestellt haben. Zwischen dem 10ten und 15ten Violinconcerte sind erschienen: 11tes Violinconcert Op. 70 bey Peters in Leipzig, Concertino, Op. 79 bey Schlesinger in Berlin. 2tes Concertino Op. 92 bey Breitkopf & Härtel, „Sonst und jetzt“ 3tes Concertino Op. 110 bey Mechetti in Wien. – Ein 2tes Doppelconcert für 2 Violinen h moll, Op. 88 ist bey Simrock in Bonn gestochen und von mir und Müller zum ersten Mal beym Musikfeste in Halberstadt im Jahr 33 gespielt1 worden. – Die Quartetten kennen Sie sämtlich außer dem 30sten, welches einzeln als Op. 132 jetzt bey Breitkopf & Härtel gestochen wird. Quintetten sind 6 gestochen: das 4te Op. 91 bey Simrock, das 5te, Op. 106, bey Paul in Dresden und das 6te, Op. 129 bey Breitkopf & Härtel. – Ein 3tes Doppelquartett in h moll2 (welches ich für das beste halte,) ist als Op. 87, bey Simrock gestochen. – Da ich zweifle, daß Sie meine 7 Sinfonien bereits sämtlich kennen, so füge ich die Opuszahl auch dieser bey: 1ste, Op. 20, bey Peters. 2te, Op. 49 ebendaselbst. 3te, Op. 78, bey Schlesinger, 4te „Die Weihe der Töne“, op. 86 bey Haslinger in Wien, 5te Op. 102 ebendaselbst, 6ste, Historische Symphonie, Op. 116 bey Mechetti in Wien und die 7te, Irdisches und Göttliches im Menschenleben Doppelsymphonie für 2 Orchester Op. 121, bey Schuberth in Hamburg.
Schlüßlich noch meinen besten Dank, daß Sie den „Faust“ so sorgfältig eingeübt haben. Freilich ist das keine Musik für ein Publikum, das mit neuitaliänischer Musik großgezogen ist. Um so mehr habe ich mich gewundert, daß sie dem Wiener Publiko, das Jahr aus Jahr ein mit nichts wie Italiänischen Süßigkeiten gefüttert wird, so gefallen hat, wie die Berichte über die Aufführungen im Kärntner Thor-Theater in diesem Herbst behaupten. Freilich war die Besetzung auch eine ganz vorzügliche!3 – Der dortige Kapellmeister4 (sein Name fällt mir nicht gleich ein,) hat allerley Neues dazu komponirt, einen Hochzeitsmarsch und Rezitative. Er fragte zwar bey mir an5, ob ich es zufrieden sey, jedoch so spät vor der Aufführung, daß mein Einspruch nichts mehr gefruchtet haben würde. Die Rezensenten wissen ihm aber für seine Arbeit wenig Dank und tad[eln] bitter die Einschiebsel.6
Mit wahrer Freundschaft stets
 
der Ihrige
Louis Spohr



Dieser Brief ist die Antwort auf Schneider an Spohr, 07.01.1847. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Spohr an Schneider, 13.04.1847.
 
[1] Vgl. dazu: „Das sechste Elb-Musikfest, gefeyert zu Halberstadt am 19ten, 20sten und 21sten Juny”, in: Allgemeine musikalische Zeitung 35 (1833), Sp. 496ff., hier Sp. 497; C.R., „Von der Elbe im Junius. Die Feier des sechsten Elbmusikfestes”, in: Zeitung für die elegante Welt 33 (1833), S. 527f., hier S. 528
 
[2] Hier irrt sich Spohr bezüglich der Tonart des dritten Doppelquertetts op. 87. Tatsächlich steht es in e-Moll.
 
[3] Vgl. „Wien“, in: Allgemeine musikalische Zeitung 48 (1848), Sp. 825-830, hier Sp. 826; „Wien im November 1846“, in: Neue Berliner Musikzeitung 1 (1846), S. 8f., hier S. 8, „Aus Wien, Mitte November“, in: Europa: Chronik der gebildeten Welt 2 (1846), S. 141f., hier S. 142; [Ergänzung Karl Traugott Goldbach, 27.01.2021: L-sky, „Samstag, den 24. ,Faust,‘ romantische Oper in 3 Akten, von J.G. Bernhard. – Musik von Louis Spohr“, in: Wiener Zeitschrift für Kunst, Literatur, Theater und Mode 31 (1846), S. 861].
 
[4] [Ergänzung Karl Traugott Goldbach, 27.01.2021:] Wilhelm Reuling (vgl. A.S., „Sonntag den 24. d. M. ,Faust‘ […] von Louis Spohr“, in: Wiener allgemeine Musik-Zeitung 6 (1846), S. 521ff., hier S. 523; F.E.Dr., „K. K. Hofopern-Theater“, in: Oesterreichisch-Kaiserliche privilegirte Wiener Zeitung (1846), S. 2509f., hier S. 2510).

[5] Dieser Brief ist derzeit noch nicht bearbeitet.
 
[6] Eine entsprechende Rezension kann bislang nicht nachgewiesen werden; in den oben angeführten Kritiken werden die hinzukomponierten Teile nicht erwähnt. [Ergänzung Karl Traugott Goldbach, 27.01.2021: „Auch sind die Recitative etwas zu lang“ (J. Plank, „[Das k.k. Hofoperntheater hat ein Werk wieder hervorgenommen]“, in: Sonntagsblätter 5 (1846), S. 1061ff., hier S. 1062); „Bloß in den Recitativen, die übrigens meistens etwas zu gedehnt sind […]“ (H-r, „,Faust,‘‘ romantische Oper in drei Aufzügen, von G.C.[sic!] Bernard, Musik von Spohr“, in: Humorist (1846), S. 1038f., hier S. 1038).]
 
Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Wolfram Boder (07.05.2018).