Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

London
den 12ten September
1846.

Hochgeehrtester Herr Kappellmeister.

Mit diesen Zeilen erlaube ich mir Ihnen den Klavierauszug einer Hymne von mir zu übersenden. Sie ist in diesen Tagen fertig geworden, und mit der lebhaften Erinnerung der angenehmen Abende die ich in Ihrem Cacilien Verein zugebracht habe, habe ich mir das Vergnügen gemacht das Werk den Mitgliedern des Vereins zuzueignen.
ich übersende es Ihnen mit der Hoffnung daß sollte es Ihnen recht gefallen daß Sie es singen lassen werden, und vor allem, wenn Sie Zeit haben daß Sie mir Ihre Aufrichtige Meinung darüber aussprechen. Dem ersten Chor habe ich auf das Wort Einfältigen ein ungewöhnliches Accent auf der zweiten Silbe gebracht, aus diesen Gründen, 1stens weil das musikalische Accent viel besser ist, dann nimmt Mann ein anderes Thema mit dem gewohnlichen Accent Einfältig, so wird es schwer seyn eine passende Musik dazu zu finden, und zweitens, da das Wort in diesem Sinne, nicht die gewöhnliche Bedeutung hat, so dachte ich mir eine kleine Freiheit mit dem Accent erlauben zu dürfen. Ein deutscher Freund theilt diese Meinung nicht, aber ich möchte gern Ihre erfahrene Meinung darüber haben, denn wenn Sie es für sehr unpassend halten so werde ich versuchen es umzuändern.
Ich übersende Ihnen das Werk in der Hoffnung daß Sie einige Fortschritte in Composition finden mögen, und werde hocherfreut seyn wenn es Ihren Beifall findet.
London ist sehr still, alle Welt ist verreist ich war bey dem Musik-Fest in Birmingham und hörte Mendelssohns neues Oratorium Elias. Es ist ein herrliches Werk, und wurde stürmisch aufgenommen. In Hereford ist diese Woche Ihren1 Fall von Babylon gegeben, auch mit demselben Erfolg.3
Mendelssohn hat mich von Ihrem Aufenthalt in Leipzig3 erzählt, die Ihm, und Hauptmann eine große Freude gemacht hat.4
Meine Eltern und Geschwister übersenden Ihnen und Ihrer Frau Gemahlinn die herzlichsten Grüße denen ich mich anschliesse, und mit jedem Ausdruck

der Achtung, verbleibe ich
Geehrtester Herr Kappellmeister
Ganz ergebenst der Ihrige
Charles Edward Horsley

Wegen grossen Mangel an Zeit ist die Vollständige Partitur meine Hymne nicht fertig geworden. Wunschen Sie es zu sehen so kann ein Abschrift Ihnen zugeschickt werden.

Autor(en): Horsley, Charles Edward
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Mendelssohn Bartholdy, Felix
Erwähnte Kompositionen: Horsley, Charles Edward : Hymnen
Mendelssohn Bartholdy, Felix : Elias
Spohr, Louis : Der Fall Babylons
Erwähnte Orte: Birmingham
Hereford
London
Erwähnte Institutionen: Cäcilienverein <Kassel>
Musikfeste <Birmingham>
Three Choirs Festival <Hereford>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1846091244

Spohr



Der letzte erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Horsley an Spohr, 14.06.1846. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Horsley an Spohr, 02.05.1848.

[1] Sic!

[2] Vgl. „The Birmingham and Hereford Musical Festivals“, in: Spectator 19 (1846), S. 811f.

[3] „in Leipzig“ über der Zeile eingefügt.

[4] Vgl. Marianne Spohr, Tagebucheinträge 22.-27.06.1846; Louis Spohr’s Selbstbiographie, Bd. 2, Kassel und Göttingen 1861, S. 305-308.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (26.05.2020).