Autograf: Archiv der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien (A-Wgm), Sign. Briefe Louis Spohr 8
Abschrift: Wienbibliothek im Rathaus Wien (A-Wst), Sign. H.I.N.-177592
Druck: Horst Heussner, Die Symphonien Ludwig Spohrs, Phil. Diss. Marburg 1956, Anhang, S. 45f.

Sr. Wohlgeb.
Herrn Dr. August Schmidt
Redacteur d. allgem. Wiener
Musikzeitung
in
Wien.

frei.0


Cassel den 5ten
Sept. 1846.

Hochgeehrter Herr Redakteur,

Die Gesellschaft der Musikfreunde des Östr. Kaiserstaates hat mich allerdings durch ihren Präses, den Herrn Landgraf zu Fürstenberg eingeladen, am 8ten und 12ten November d. J. mein Oratorium „der Fall Babylons“ bei ihrem diesjährigen Musikfeste zu dirigieren1 und gar gern wäre ich dieser freundlichen Einladung gefolgt, hätte ich den zu der Reise nach Wien erforderlichen Reiseurlaub von 3 Wochen erwirken können. Aber trotzdem daß aus der dortigen Staatskanzlei durch die hiesige Östr. Gesandtschaft darum nachgesucht worden ist und ich im November sehr leicht hätte abkommen können, ist er kurzweg abgeschlagen worden. Es hat mich dies zwar nicht überrascht, da mir vor 3 Jahren zu einem Musikfeste in England, für welches ich das genannte Oratorium geschrieben hatte, der Urlaub ebenfalls1a verweigert wurde, obgleich die Königin von England sich durch die Gesandtschaft dafür verwandte, ja der Herzog von Cambridge ein eigenhändiges Schreiben deshalb an unseren Prinz-Regent erließ. Allein geschmerzt hat es mich umsomehr, da ich so gern einmal bei einer Unternehmung der G. d. M. d. Öster. Kaiserstaates, der ich schon seit Jahren als Ehrenmitglied angehöre, mitgewirkt und den Wienern so gern mein neues Oratorium, das bedeutendste was ich von Kirchenmusik geschriebe habe, vorgeführt hätte. Denn leider muß ich fürchten, daß nun ein anderes Werk zur Aufführung gewählt werden wird, da ich die Leitung nicht selbst übernehmen kann. Da jedoch das Oratorium für große Chor- und Orchestermassen berechnet ist und in Wien sich auch unzweifelhaft ein guter Dirigent vorfinden wird, der das Einüben übernehmen könnte, so wünsche ich sehr, daß man bei der einmal getroffenen Wahl beharren möchte. – Sie würden mich sehr, Herr Redakteur, verpflichten, wen Sie die Güte hätten, das Vorstehende in der geeigneten Form in Ihrer Zeitung zu veröffentlichen2, damit das Publikum erfahre, daß nur der verweigerte Urlaub Schuld an meinem Nichtkommen ist, nicht etwa die mir proponierten Bedingungen, die ich sogleich acceptiert hatte.
Über Herrn Löffler weiß ich nichts zu schreiben, da ich mich seiner nicht erinnere, doch ist es möglich daß ich ihm vor Jahren ein Zeugniß über Kompositionen gegeben habe die er mir zur Ansicht gab. Ist mein Zeugniß lobend, so muß ich auch die Kompositionen gut gefunden haben; doch ist es allerdings möglich daß mir Arbeiten von andern, oder solche die mit Hülfe anderer geschrieben waren, vorgelegt worden sind. Wahrscheinlich ist es aber doch nicht daß es jemand wagen sollte Arbeiten eines Andern als Eigene öffentlich aufzuführen. –
Leben Sie recht wohl. Mit vorzüglichster Hochachtung

Ihr
ergebenster
Louis Spohr.

Autor(en): Spohr, Louis
Adressat(en): Schmidt, August (Wien)
Erwähnte Personen: Fürstenberg, Friedrich von
Löffler, Conrad
Erwähnte Kompositionen: Spohr, Louis : Der Fall Babylons
Erwähnte Orte: Wien
Erwähnte Institutionen: Gesellschaft der Musikfreunde <Wien>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1846090517

https://bit.ly/

Spohr



Dieser Brief ist die Antwort auf Schmidt an Spohr, 29.08.1846.

[0] [Ergänzung 18.07.2023:] Auf dem Adressfeld befindet sich rechts oben der Poststempel „CASSEL / 5 / 9 / 1846“

[1] Vgl. Friedrich von Fürstenberg an Spohr, zwischen 14. und 30.06.1846.

[1a] [Ergänzung 18.09.2023:] „ebenfalls“ über der Zeile eingefügt.

[2] Vgl. „Hr. Hofkapellmeister Louis Spohr“, in: Wiener allgemeine Musik-Zeitung 6 (1846), S. 444.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (17.08.2022). Zunächst nach der Abschrift ediert; neu kollationiert nach dem Autograf (18.07.2023).

Cassel den 5t Sept. 1846

Hochgeehrter Herr Redakteur,

Die Gesellschaft der Musikfreunde des Östr. Kaiserstaates hat mich allerdings durch ihren Präses, den Herrn Landgraf zu Fürstenberg eingeladen, am 8ten und 12ten November d.J. mein Oratorium „Der Fall Babylons“ bei ihrem diesjährigen Musikfeste zu dirigieren und gar gern wäre ich dieser freundlichen Einladung gefolgt, hätte ich den zu der Reise nach Wien erforderlichen Reiseurlaub von 3 Wochen erwirken können. Aber trotzdem daß aus der dortigen Staatskanzlei durch die hiesige Östr. Gesandtschaft darum nachgesucht worden ist und ich im November sehr leicht hätte abkommen können, ist er kurzweg abgeschlagen worden. Es hat mich dies zwar nicht überrascht, da mir vor 3 Jahren zu einem Musikfeste in England, für welches ich das genannte Oratorium geschrieben hatte, der Urlaub ebenfalls verweigert wurde, obgleich die Königin von England sich durch die Gesandtschaft dafür verwandte, ja der Herzog von Cambridge ein eigenhändiges Schreiben deshalb an unseren Prinz-Regent erließ. Allein geschmerzt hat es mich umsomehr, da ich so gern einmal bei einer Unternehmung der G.d.M.d. Öster. Kaiserstaates, der ich schon seit Jahren als Ehrenmitglied angehöre, mitgewirkt und den Wienern so gern mein neues Oratorium, das bedeutendste was ich von Kirchenmusik geschriebe habe, vorgeführt hätte. Denn leider muß ich fürchten, daß nun ein anderes Werk zur Aufführung gewählt werden wird, da ich die Leitung nicht selbst übernehmen kann. Da jedoch das Oratorium für große Chor- und Orchestermassen berechnet ist und in Wien sich auch unzweifelhaft ein guter Dirigent vorfinden wird, der das Einüben übernehmen könnte, so wünsche ich sehr, daß man bei der einmal getroffenen Wahl beharren möchte. – Sie würden mich sehr, Herr Redakteur, verpflichten, wen Sie die Güte hätten, das Vorstehende in der geeigneten Form in Ihrer Zeitung zu veröffentlichen, damit das Publikum erfahre, daß nur der verweigerte Urlaub Schuld an meinem Nichtkommen ist, nicht etwa die mir proponierten Bedingungen, die ich sogleich akzeptiert hatte.
[Über Herrn Löffler weiß ich nichts zu schreiben, da ich mich seiner nicht erinnere, doch ist es möglich daß ich ihm vor Jahren ein Zeugniß über Composit. gegeben habe die er mir zur Ansicht gab. Ist mein Zeugniß lobend, so muß auch die Comp. gut sein. Doch ist es allerdings möglich daß mir Arbeiten von andern, oder solche die mit Hülfe anderer geschrieben waren vorgelegt worden sind. Wahrscheinlich ist es aber doch nicht daß es jemand wagen sollte Arbeiten eines Andern als Eigene öffentlich aufzuführen.]
Leben Sie recht wohl. Mit vorzüglichster Hochachtung

Ihr ergebenster
Louis Spohr.

Cassel den 5. Sept. 1846

Hochgeehrter Herr Redakteur,

Die Gesellschaft der Musikfreunde des Östr. Kaiserstaates hat mich allerdings durch ihren Präses, den Herrn Landgraf zu Fürstenberg eingeladen, am 8ten und 12ten November d.J. mein Oratorium „Der Fall Babylons“ bei ihrem diesjährigen Musikfeste zu dirrigieren und gar gern wäre ich dieser freundlichen Einladung gefolgt, hätte ich den zu der Reise nach Wien erforderlichen Reiseurlaub von 3 Wochen erwirken können. Aber trotzdem daß aus der dortigen Staatskanzlei durch die hiesige Östr. Gesandtschaft darum nachgesucht worden ist und ich im November sehr leicht hätte abkommen können, ist er kurzweg abgeschlagen worden. Es hat mich dies zwar nicht überrascht, da mir vor 3 Jahren zu einem Musikfeste in England, für welches ich das genannte Oratorium geschrieben hatte, der Urlaub ebenfalls verweigert wurde, obgleich die Königin von England sich durch die Gesandtschaft dafür verwandte, ja der Herzog von Cambridge ein eigenhändiges Schreiben deshalb an unseren Prinz-Regent erließ. Allein geschmerzt hat es mich umsomehr, da ich so gern einmal bei einer Unternehmung der G.d.M.d. Öster. Kaiserstaates, der ich schon seit Jahren als Ehrenmitglied angehöre, mitgewirkt und den Wienern so gern mein neues Oratorium, das bedeutendste was ich von Kirchenmusik geschriebe habe, vorgeführt hätte. Denn leider muß ich fürchten, daß nun ein anderes Werk zur Aufführung gewählt werden wird, da ich die Leitung nicht selbst übernehmen kann. Da jedoch das Oratorium für große Chor- und Orchestermassen berechnet ist und in Wien sich auch unzweifelhaft ein guter Dirigent vorfinden wird, der das Einüben übernehmen könnte, so wünsche ich sehr, daß man bei der einmal getroffenen Wahl beharren möchte. - Sie würden mich sehr, Herr Redakteur, verpflichten, wen Sie die Güte hätten, das Vorstehende in der geeigneten Form in Ihrer Zeitung zu verüffentlichen, damit das Publikum erfahre, daß nur der verweigerte Urlaub Schuld an meinem Nichtkommen ist, nicht etwa die mir proponierten Bedingungen, die ich sogleich akzeptiert hatte. [...]
Leben Sie recht wohl. Mit vorzüglichster Hochachtung
Ihr ergebenster
Louis Spohr.