Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287


Sr. Wohlgeboren
Hn. Kapellmeister Dr. Spohr
in
Cassel

d.g.


Hochverehrtester Meister!

Von Ihrer gütigen Erlaubniß, Ihnen manchmal schreiben zu dürfen, sehe ich mich genöthigt, jetzt Gebrauch zu machen und mir Ihren Rath über eine Angelegenheit zu erbitten die für mich und meine Verhältnisse von einiger Bedeutung ist.
Aus den wiederholten Aufträgen, die mir Schott in Mainz gibt, zu schließen, scheinen meine Orgelcompositionen guten Absatz zu finden. Daraufhin schrieb ich dem Schott in meinem letzten Briefe, mit dem ich ihm zugleich 25 bestellte leichte und melodiöse Präludien übermachte, er möge mich nun auch rücksichtlich des Honorar's besser bedenken. Im Bezug darauf muß ich nämlich noch bemerken, daß ich zwar für meine Compositionen immer Honorar erhalten habe; keineswegs habe ich aber bis jetzt eine bestimmte Forderung gethan, oder ein contractliches Ubereinkommen abgeschlossen, sondern es nur der Generosität des Verlegers überlassen, wie viel er mir hat geben wollen. Da aber die Sachen gehen – sie sind auch, wider mein Erwarten, in allen Zeitungen gut beurtheilt worden – so sehe ich nicht ein, warum man den pecuniären Gewinn, ohne den man ja in der Welt nicht existiren kann, dem Verleger allein überlassen soll.
Auf meine obige Äußerung nun erwiederte Schott: ich solle eine Forderung thun. Das bringt mich nun wirklich in nicht geringe Verlegenheit. Einmal möcht' ich nichts verschenken, und soviel Gewinn ziehen, als möglich – Sie werden mir das, namentlich in meinen Verhältnissen, nicht verdenken – dann aber auch mich nicht durch eine zu große Forderung lächerlich und mir am Ende den Verleger abwendig machen. Und nach einer dieser beiden Richtungen würde ich fallen, da ich von dem Verhältnisse, in dem jetzt die Verleger zu den Componisten stehen, und der Art und Weise, wie gegenwärtig die Compositionen honorirt werden, gar keine Kenntnisse habe. Freilich hängt die Honorirung der Compositionen einerseits1 von dem Rufe u. der Größe ihrer Verfasser ab, das liegt auf der Hand, u. von diesem Standpuncte aus betrachtet würde es schon verwegen, über die Maßen dünkelhaft sein, wenn ich nur die Hälfte von dem fordern wollte, was Ew. Wohlgeboren für ein Werk gleichen Umfangs mit einem der meinigen ohne Weiteres, ohne alle weitere Forderung erhalten; anderseits aber auch wieder von dem Bedürfniß des Publicums und des Verlegers ab, wie dies die Unsumme leichter Claviercompositionen von Czerny u. Hünten u. namentlich in neuster Zeit die von Brunner und Consorten2 darthun, welche letztere trotz ihrer unergründlichen Seichtigkeit und Leerheit ungeheuer honorirt werden. Das schließe ich wenigstens aus der enormen Quantität, mit der gedachte Componisten die Welt überschwemmen. Das Alles bringt mich, wie schon bemerkt, in große Verlegenheit, und ich weiß mir nicht zu helfen. Ich unterstehe mich daher, Ew. Wohlgeboren ganz ergebenst zu bitten, mir doch Ihren güthigen Rath in dieser Sache zukommen zu lassen. Was meinen Ew. Wohlgeboren, wie viel ich für ein Werk von der Größe eines Heftes meiner Gradus ad Parnassum, das 3 Bogen, 12 gewöhnliche Seiten enthält, fordern könnte?
Hoffend Ew. Wohlgeboren werden mir verzeihen, daß ich Sie mit solchen Kleinigkeiten behellige, bin ich, mich Ihnen und Ihrer Frau Gemahlin zu geneigtem Andenken empfehlend,
mit unbegrenzter Liebe u. Verehrung
Ew. Wohlgeboren
ganz ergebenster

F. Kühmstedt

Eisenach am 12ten August
1846.

Nb. So eben erhalte ich aus Darmstadt selbst die Nachricht, daß am 7ten August früh halb 3 Uhr der Hoforganist Ch. H. Rinck im 77 Lebensjahre verschieden ist.

Autor(en): Kühmstedt, Friedrich
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Brunner, Christian Traugott
Czerny, Carl
Hünten, Franz
Rinck, Christian Heinrich
Schott, Johann Joseph
Erwähnte Kompositionen: Kühmstedt, Friedrich : Gradus ad Parnassum
Kühmstedt, Friedrich : Präludien, Org
Erwähnte Orte: Darmstadt
Erwähnte Institutionen: Schott <Mainz>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1846081240

Spohr



Der letzte erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Kühmstedt an Spohr, 31.12.1845. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Kühmstedt an Spohr, 28.01.1847.

[1] „einerseits“ über der Zeile eingefügt.

[2] Hier gestrichen: „und Consorten“.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Wolfram Boder (30.07.2020).