Autograf: Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung mit Mendelssohnarchiv (D-B), Sign. Mus.ep. Spohr-Correspondenz 1,83
Druck 1: Ernst Rychnovsky, „Johann Friedrich Kittl. Ein Beitrag zur Musikgeschichte Prags”, in: Mittheilungen des Vereines für Geschichte der Deutschen in Böhmen 42 (1904), S. 310-345 und 43 (1905), S. 51-116, hier 43, S. 96f. (teilweise)
Druck 2: ders., dass., Bd. 2 (= Studien zur Geschichte der Musik in Böhmen 4), Prag 1904, S. 53 (teilweise)
Druck 3: Ant[on] Šilhan, „Louis Spohr a Jeho Styky s Prahou”, in: Hudební Revue 2 (1909), S. 453-463, hier S. 459f. (tschechische Übers.)
Inhaltsangabe: [Ernst Rychnovsky], Beschreibendes Verzeichnis der Autographen-Sammlung Fritz Donebauer in Prag, 2. Aufl., Prag 1900, S. 129
Beleg 1: Autographen-Sammlung enthaltend Musiker-Briefe und Musik-Manuskripte aus dem Nachlasse des berühmten Komponisten Louis Spohr (1784-1859) nebst Beiträgen aller Art (Fürsten,Staatsmänner, Dichter, Gelehrte, Künstler, etc.) aus dem Besitz eines bekannten Berliner Sammlers. Versteigerung zu Berlin Montag, den 15. und Dienstag, den 16. Oktober 1894 (= Katalog Liepmannssohn), Berlin 1894, S. 53
Beleg 2: Sammlung Fritz Donebauer, Prag. Briefe, Musik-Manuscripte, Portraits zur Geschichte der Musik und des Theaters. Versteigerung vom 6. bis 8. April 1908 (= Katalog Stargardt), Berlin 1908, S. 97
Beleg 3: Musik. Autographen Manuskripte Partituren Bücher (= Katalog Boerner 16), Leipzig 1910, S. 70
Beleg 4: Georg Kinsky, Versteigerung von Musiker-Autographen aus dem Nachlaß des Herrn Kommerzienrates Wilhelm Heyer in Köln im Geschäftslokal der Firma Karl Ernst Henrici. Montag, den 6 und Dienstag, den 7. Dezember, Bd. 1, Berlin 1926, S. 100

Euer Hochwohlgeboren
 
haben mir mit Ihren freundlichen Zeilen eine unendliche Freude gemacht, wofür ich Ihnen aus dem Grunde meines Herzens danke. Daß Sie etwas als ein Meisterwerk erklären, was aus meiner Feder geflossen macht mich stolz und ich möchte es in die ganze Welt posaunen, umsomehr, da ich weiß, daß Euer Hochwohlgeboren einen so festen und sicheren Charakter haben, daß Ihnen eine Schmeicheley fremd ist.
Wie Sie vielleicht in den Zeitungen gelesen haben werden habe ich am 15. März Ihre CmollSinfonie im 2. Conservatoriums-Concerte gegeben.1 Sie wurde mit der größten Pietät und Sorgfalt einstudiert und fand rauschenden Beifall. Prag ist gewiß eine von jenen Städten, die Ihren Genius versteht und die gern und schmiegsam Ihren Gefühlen folgt. In demselben Concerto wurde eine Concert-Ouverture von einem Zöglinge des Conservatoriums aufgeführt, der den gefährlichen Namen trägt: Spohr.2 Indessen er heißt Carl Spohr und dieser Taufnamen reißt ihm den Nimbus ab. Sein erstes Werk wurde vom Publikum sehr beifällig aufgenommen und ich bin so frei Ihnen hier Partitur und Auflagstimmen zu überschiken. Der junge 20jähige Mensch wäre glücklich, wenn seinem Erstlinge der Altmeister ein beifälliges Lächeln schenkte.
Als ich mir das Vernügen machte, Sie in Cassel zu besuchen fand ich auf Ihrem Clavier Lieder von jungen Componisten3, woraus ich schloß, daß Sie, wenn Sie ein freies Viertelstündchen haben, in neuen Compositionen blättern. Da Sie von meinen im Stich erschienenen Lieder warscheinlich nicht viel kennen so bin ich so frei, Ihnen selbe zu verehren und wünsche, daß Sie aus diesem großen Strauß einige Blumen finden deren Duft Ihnen behagt.
Mit dem Ausdrucke der tiefsten Verehrung und der Bitte mich der Frau Gemahlin bestens zu empfehlen habe ich die Ehre zu sein
 
Euer Hochwohlgeboren
ergebenster
JFKittl
 
Prag am 19. Juni 846

Autor(en): Kittl, Johann Friedrich
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Spohr, Karl
Erwähnte Kompositionen: Kittl, Johann Friedrich : Lieder
Kittl, Johann Friedrich : Sinfonien, op. 19
Spohr, Karl : Ouvertüren
Spohr, Louis : Sinfonien, op. 102
Erwähnte Orte: Prag
Erwähnte Institutionen: Konservatorium <Prag>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1846061845

https://bit.ly/

Spohr



Dieser Brief ist die Antwort auf Spohr an Kittl, 21.05.1846. Spohr beantwortete diesen Brief am 03.08.1846.
 
[1] Rychnovsky transkribiert hier „e-moll“. Spohr hat keine Sinfonie in e Moll geschrieben, dafür aber zwei in c Moll, Nr. 3 (op. 78) und Nr. 5 (op. 102). Dass hier eindeutig op. 102 gemein ist, geht aus einer Aufführungskritik hervor (vgl. „Prag. Februar“, in: Allgemeine musikalische Zeitung 48 (1846), Sp. 229f., 238-245, 252-257 und 269-272, hier Sp. 257; zur Aufführung s.a. „Musikalisches aus Prag“, in: Allgemeine Wiener Musik-Zeitung 6 (1846), 167f., 177 und 187, hier S. 177; „Zweites Concert des Conservatoriums“, in: Bohemia 17.03.1846, nicht paginiert).
 
[2] Vgl. NZM, Sp. 255f.; AWMZ, ebd.; Bohemia, ebd.
 
[3] Hier gestrichen: „Lieder“.
 
Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (28.08.2017).

Euer Hochwohlgeboren haben mir mit Ihren freundlichen Zeilen eine unendliche Freude gemacht, wofür ich Ihnen aus dem Grunde meines Herzens danke. Daß Sie etwas als ein Meisterwerk erklälren, was aus meiner Feder geflossen, macht mich stolz und ich möchte es in die ganze Welt posaunen, umsomehr, da ich weiß, daß Euer Hochwohlgeboren einen so festen und sicheren Charakter haben, daß Ihnen eine Schmeichelei fremd ist. Wie Sie vielleicht in den Zeitungen gelesen haben werden, habe ich am 15. März Ihre e-moll-Symphonie im zweiten Konservatoriums-Konzerte gegeben. Sie wurde mit der größten Pietät und Sorgfalt einstudiert und fand rauschenden Beifall. Prag ist gewiß eine von jenen Städten, die Ihren Genius versteht und die gern und schmiegsam Ihren Gefühlen folgt. […] Sein erstes Werk wurde vom Publikum sehr beifällig aufgenommen […] Der junge zwanzigjähige Mensch wäre glücklich, wenn seinem Erstlinge der Altmeister ein beifälliges Lächeln schenkte.