Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287
Hochgeehrter Herr Hofkapellmeister,
Sehr verehrter Freund!
Mit den herzlichstem Danke für Ihre große Gefälligkeit und der Bitte, uns auch für die Zukunft Ihr Wohlwollen zu schenken, gebe ich mir die Ehre, Ihnen im Anschluße Ihr schönes Quartettconcert (Partitur, Clavierauszug und Orchesterstimmen) zurückzusenden und hoffe, daß Ihnen das Ganze gut zukommen wird.
Ich bedauere sehr, daß Sie, statt nach England reisen und dort neue Lorbeeren in Ihren schon überreichen Cranz flechten zu können, Sie die Sorge für Ihre Gesundheit zwingt, Carlsbad zu besuchen. Noch mehr aber bedaure ich, dort nicht mit Ihnen zusammen sein zu können. Meiner Frau, die sich Ihnen und der Ihrigen vielmals empfehlen läßt und den ganzen Winter über leidend war, ist Rohitsch verschrieben, wo wir die drei ersten Wochen des Monates Julius zubringen werden und zudem rufen mich meine Interessen dringend nach Steiermark. Wie schön wäre es, wenn Sie als Nachkur eine Reise dahin machten, die Gegend ist so schön und mittelst der Eisenbahn gelangt man in sechzehn Stunden von Prag nach Wien, in vierzehn-fünfzehn von Wien nach Marburg, vowon mein Wildhaus nur eine Meile entfernt ist und wir Sie mit offenen Armen empfangen würden. Bedenken Sie es doch und schreiben Sie mir ein Paar Worte darüber. Vom 15. Junius bis 1. Julius bin ich in Wildhaus, von 1. Julius bis 22. in Sauerbrunn bei Rohitsch, wohin man von Marburg in drei Stunden gelangt, und dann immer bis 8ber1 in Wildhaus. Unsere musikalische Saison war wirklich fast ermüdend: Jetzt haben wir die Italiener, die wenig frische und junge Tadolini, der Tenor Fraschini, der eine schöne Stimme hat, aber zu sehr schreit2, dann die Lind, ein Muster von Correktheit und Anmuth, die aber die verwöhnten Wiener nicht genug erwärmt.3 Das Gegentheil geschah mit Liszt, der allein neun Concerte bei stets überfülltem Concertsaale gab und noch auf vielfältiges Andringen ein Abschiedsconcert gibt. Mit einem Worte Musik bis über die Ohren, ja über dem Kopfe, worauf bäuerliche Ruhe wohlthuend einwirken wird. Wenn Sie mich mit einem Briefe beehren, bitte ich nun nach Wien zu adressiren, das ich ohnedies erst Anfangs Junius verlaße. Uebrigens werden mir die Briefe immer sicher nachgeschickt. Der Frau Gemahlin mich bestens empfehlend, bin ich mit vorzüglicher Hochachtung und besonderer Ergebenheit
der Ihrige
Lannoy.
Wien 27. April 1846
Autor(en): | Lannoy, Eduard von |
Adressat(en): | Spohr, Louis |
Erwähnte Personen: | Fraschini, Gaetano Lannoy, Josephine von Lind, Jenny Liszt, Franz Tadolini, Eugenia |
Erwähnte Kompositionen: | Spohr, Louis : Konzerte, Vl 1 2 Va Vc Orch, op. 131 |
Erwähnte Orte: | Karlsbad Marburg an der Drau Prag Rohitsch Wien Wildhaus bei Marburg an der Drau |
Erwähnte Institutionen: | Concerts spirituels <Wien> |
Zitierlink: | www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1846042745 |
Der letzte erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Lannoy an Spohr, 27.03.1846. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Lannoy an Spohr, 14.05.1849.
[1] Abk. f. „Oktober“.
[2] Zu Tadolini und Fraschini vgl. F.H., „Die italienische Oper in Wien“, in: Österreichisches Morgenblatt 11 (1846), S. 186f., hier S. 187; H-r, „Wien. Theater“, in: Humorist 10 (1846), S. 327; „Eröffnung der italienischen Oper“, in: Wanderer 33 (1846), S. 319.
[3] Vgl. M[oritz] G[ottlieb] Saphir, „Kritische Epigonen über Jenny Lind in Wien“, in: Humorist 10 (1846), S. 409ff.; „Lind-Seraten-Bulletin“, in: Österreichisches Morgenblatt 11 (1846), S. 250f.
Kommentar und Verschlagwortung, soweit nicht in den Anmerkungen anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (12.11.2021).