Autograf: Library of Congress Washington (US-Wc), Sign. Gertrude Clarke Whittall Foundation/Mendelssohn Collection, ML 30.8j
Abschrift: Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung mit Mendelssohnarchiv (D-B), Sign. MA Nachl. 7,64/1,18
Druck 1: Louis Spohr’s Selbstbiographie, Bd. 2, Kassel und Göttingen 1861, S. 303 (teilweise)
Druck 2: Armin Koch, Choräle und Choralhaftes im Werk von Felix Mendelssohn Bartholdy (= Abhandlungen zur Musikgeschichte 12), Göttingen 2003, S. 142 (teilweise; nach Abschrift)
Druck 3: John Michael Cooper und R. Larry Todd, „'With True Esteem and Friendship'. The Correspondence of Felix Mendelssohn Bartholdy and Louis Spohr“, in: Journal of Musicological Research 29 (2010), S. 171-259, hier S. 257f.; englische Übersetzung S. 215f.
Druck 4: Felix Mendelssohn Bartholdy, Sämtliche Briefe, Bd. 11, hrsg. v. Susanne Tomkovič, Christoph Koop und Janina Müller unter Mitarb. v. und Uta Wald, Kassel u.a. 2016, S. 249f.
Beleg: Rare and Interesting Autograph Letters, Manuscripts, and Historical Documents (= Katalog Noel Conway & Co), Birmingham [1892], S. 54

Herrn
Herrn Kapellmeister Dr. L. Spohr
&c. &c. &c.
in Cassel

frei1


Verehrter Herr Kapellmeister

Nach der gestrigen Aufführung2 des dritten Acts der Kreuzfahrer im hiesigen Abonnement-Concert eile ich Ihnen davon zu schreiben und Ihnen meinen herzlichen Dank für den Genuß zu sagen, den mir Ihr Werk wieder bereitet hat. Schon als ichs zum erstenmale in Berlin hörte, schien mir der dritte Act der3 lebendigste, schönste der ganzen Oper zu sein, und ich war daher überzeugt, das er sich auch4 im Concert trefflich ausnehmen müsse. Sie schienen damals daran zu zweifeln, und so freue ich mich um so mehr, das die gestrige Aufführung einen so reinen, schönen und vollkommnen Eindruck gemacht hat, wie es mir nach der Aufmerksamkeit, dem Applaus und den Aeußerungen der Hörer unverkennbar scheint. Sehr dankbar bin ich Ihnen für Ihre Bemerkung hinsichtlich der Orgel; denn obgleich wir nur ein kleines unbedeutendes Werk hatten aufstellen können, so war die Wirkung doch sehr entschieden und keine Blas-Instrumente hätten sie ersetzen konnen. Der Chor war an 200 stark, und die Hymne aus h dur, der Männer-Chor in C dur und dann die Scene im Kloster mit den einzelnen Chor-Sätzen klangen ganz wunderschön. Haben Sie tausend herzlichen Dank fur diesen Genuß, und fur alle die vielen, herrlichen, die wir Ihnen schuldig sind, lieber Herr Kapellmeister!
Wir hatten an zwei Stellen der Recitative etwas weggelassen, was den Worten nach sich allein auf die vorigen Acte bezog, und somit das Verständniß hier mehr erschwerte, als erleichterte. Ich hoffe, Sie entschuldigen diese Freiheit damit, daß es eben eine Concert-Aufführung sein sollte. Es waren die Stellen im ersten Recitativ, wo von den vergeblichen Versuchen bei den verschiednen Völkern die Rede ist, und wo wir nach den ersten Worten, gleich zu der Stelle „o das mein Adhemar“ gingen. Und dann im Anfang des ersten Recitativs des Emir, vor der schönen Nummer im 3⁄4 Tact mit dem C dur Chor am Schluß. Die Tenor-Parthie hätte ich gern eindringlicher vorgetragen gehört, auch manches in den andern Solo-Parthieen, aber Chor und Orchester waren vortrefflich, und ein eigentlicher Fehler fiel nirgends vor, was doch beim ersten Male und bei den mannichfachen Schwierigkeiten etwas heißen will. Leider hatte ich es nicht so einrichten können, daß mir die Direction dieses Concertes zufiel; es ging aber unter Gade so lebendig, und er hatte sich mit dem ganzen Werke so vertraut gemacht, das selbst Ihnen gewis kaum etwas zu wünschen übrig geblieben wäre. Nun haben Sie nochmals meinen und unser aller aufrichtigen Dank und erhalten Sie mir Ihr freundliches Wohlwollen, so wie ich immer bin und bleibe


Ihr
ganz ergebner und verehrungsvoller
Felix Mendelssohn Bartholdy.

Leipzig d. 27 März 1846

P.S. Nächsten Dinstag endlich ist wieder eine Quartett-Versammlung, (die erste seit 2 Monaten.) Ich werde das Quintett darin spielen5 und es dann sogleich der hies. Handlung von S.6 zusenden; die lange Verzögerung konnte ich leider, trotz meines Wunsches, nicht verhindern.

Autor(en): Mendelssohn Bartholdy, Felix
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen:
Erwähnte Kompositionen: Spohr, Louis : Die Kreuzfahrer
Spohr, Louis : Quintette, Vl 1 2 Va Vc Kl, op. 130
Erwähnte Orte: Leipzig
Erwähnte Institutionen: Gewandhaus <Leipzig>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1846032741

Spohr



Dieser Brief ist die Antwort auf Spohr an Mendelssohn, 22.02.1846. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Spohr an Mendelssohn, 24.11.1846.

[1]Links oben auf dem Adressfeld befindet sich der Poststempel „LEIPZIG / 27 März 46“, links über dem Adressfeld ein weiterer Stempel „29 M[ärz]“.

[2] Zum Konzert am 26.03.1846 vgl. L.R., „Leipzig, den 27. März 1846“, in: Allgemeine musikalische Zeitung 48 (1846), Sp. 225-229, hier Sp. 228f.; F[ranz] B[rendel], „Leipziger Musikleben“, in: Neue Zeitschrift für Musik 24 (1846), S. 118ff., hier S. 119f.; H.S., „Zwanzigstes Abonnement-Concert im Saale des Gewandhauses zu Leipzig“, in: Signale für die Musikalische Welt (1846), S. 105f.

[3] Hier ein einzelner Buchstabe gestrichen.

[4] Hier ein längeres Wort gestrichen.

[5] Zum Konzert am 31.03.1846 vgl. H.S., „Dritte musikalische Abendunterhaltung im Saale des Gewandhauses in Leipzig“, in: Signale für die Musikalische Welt (1846), S. 107.

[6] Schuberth (vgl. Spohr an Mendelssohn, 06.12.1845).

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (30.06.2020).