Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. hist. litt. 15[272

Sr. Wohlgeb
dem Herrn Kapellmeister
Hermstedt in
Sondershausen.

frei.


Cassel den 24sten März
1846.

Geliebter Freund,

Ich bedaure für den Wunsch des Herrn Hesse nicht thätig seyn zu können! Nach einer Bestimmung des Prinzen darf unsere Hoftheaterdirection nur Gastspiel zur Prüfung neuhiezutretender Mitglieder gestatten. Da nun das Rollenfach des Herrn Hesse nach einer Reihe von Jahren bey uns besetzt ist, so fehlt jede Voraussetzung zu einem Gastspiel und die Direction sieht sich genöthigt das Anerbieten des Herrn Hesse abzulehnen. Haben Sie die Güte ihm dieß gefälligst mitzutheilen, und entschuldigen Sie mich, daß ich, jetzt in der Messe sehr mit Geschäften überhäuft, ihm nicht auch schreibe.
Was die Manuscripte meiner Clarinettkompositionen betrifft, die noch in Ihrem ausschließlichem Besitze sind, so wünschte ich,1 da Sie sich davon trennen wollen, wohl auch, daß sie veröffentlicht würden, doch mögte ich sie selbst nicht gern einem Verleger2 anbieten. Ich habe meine Honorare in neuerer Zeit sehr gesteigert und kann nun diese Clarinettkompositionen nicht um geringere anbieten, und doch wird ein Verleger für diese Sachen, die nur von den Clarinettisten gekauft werden, die sie bezwingen können, (und davon wird es wohl nicht viele geben,) kein großes Honorar bezahlen wollen. Mein Wunsch wäre daher, daß Sie diese Manuscripte einem Verleger (etwa Peters in Leipzig, der die beyden ersten verlegt hat,) als Ihr Eigenthum antrügen und dabey bemerkten, daß es mit meiner Einwilligung geschehe. Lassen Sie ihn das Honorar bestimmen und wenn er für das Concert 75 Rth bis 100 Rth und für die andern Sachen ein Verhältniß hierzu offerirt, so schlagen Sie zu. Wollen Sie mir davon die Hälfte des Honorars zuwenden so werde ich dieß als ein Geschenk von Ihrer Hand annehmen, da ja die Sachen eigentlich Ihnen gehören. Sollte Peters die Manuscripte nicht wollen, so bieten Sie sie dem Herrn Siegel in Leipzig an, der früher bey Peters war, sich jetzt als Musikverleger etablirt hat und sich um Manuscripte an mich gewandt hat.
Sollte ich es in der dießjährigen Ferienzeit, wo ich wieder nach Carlsbad zur Kur muß,3 so einrichten können, meinen Weg über Sondershausen zu nehmen, wo wer[de] ich es gewiß thun, um nach la[ngen] Jahren einmal wieder die F[reude] zu haben, Sie zu sehen und mit Ihnen die alten Zeiten z[u] erinnern.
Leben Sie wohl. Von Herzen

der Ihrige
Louis Spohr.



Dieser Brief ist die Antwort auf Hermstedt an Spohr, 17.03.1846.

[1] Hier gestrichen: „daß”.

[2] Hier ein Wort oder zwei Buchstaben gestrichen.

[3] Hier ein Wort oder zwei Buchstaben gestrichen.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (01.11.2016).