Autograf: Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg Frankfurt am Main (D-F), Sign. Mus. Autogr. A. Schmitt A 153

Seiner Wohlgeboren
Herrn Capellmeister Spohr
in
Cassel.

fro.


Frankfurt den 15ten Februar 1846.

Hochverehrter Freund!

Und wenn sich auch nicht unheimlich Erhebliches ereignen sollte, so hoffe ich doch den Drang in mir, wenigstens von Zeit zu Zeit mit Ihnen zu reden, u. Ihnen Bericht abzustatten, über daß, was sich eben zu getragen, und was ich treibe und zutage gefördert habe.
Von letzterem kann ich Ihnen diesmal nun wenig sagen, da ich in der letzten Zeit nicht so ganz wohl mich fühlte, und daher zum Schaffen weniger aufgelegt war, als ich es in der Regel bin; Aber freuen wird Sie es doch, wenn ich Ihnen sage: daß meines Sohnes Oper „Trilby“ hier zur Aufführung kam, und – ohne daß ich es mit zu rosenfarbnen Zügen male – allgemein angesprochen und gefallen hat, welches auch schon die vollen Häuser beweiset, die die Oper herbei führte.1 Man hat es dem Jugen doch – wie es scheint – nicht zugetraut, das er in diesen Jahren etwas der Art zu Tage zu fördern im Stande ist. Aloysens Musik machte einen eignen Eindruck auf das Publikum so wohl, wie auch auf die sogenannten Kenner, die dem alle so viel Unschuldiges, Reines darin finden, ohne in Abrede zu stellen, daß eine derbe Schule nicht zu verkennen sei. Nun freilich, diesen Theil hat Aloys tüchtig los u leistet er künftig in anderem eben so viel, als in diesem Punkte, so darf man für die Zukunft die schönsten Hoffnungen von ihm sagen. Die Hauptsache für mich dabei ist: daß er seinen Gang unbekümmert fortgeht, ohne sich irre machen zu lassen u. dabei höchst empfänglich für ein gescheut Urtheil ist, und dabei seine tiefe Demuth und Bescheidenheit besitzt, aus welchen Gründen wir uns dann auch gar sehr nahe stehen u. dicke Freunde sind. O wie glücklich ist‘s dies von seinem Kinde sagen zu können! Mein eigen Kind müßte ich fassen, in Ermangelung der gehörigen Demuth u. Bescheidenheit. Aber Gottlob! von Aloys kann ich mit Wahrheit sagen: daß er der beste Sohn der Welt ist, so wie überhaupt von meinen Kindern alle.
Dieß häusliche Glück abgerechnet, wofür ich dem Schöpfer nun nicht genug danken kann, aber es auch, weiß der Himmel! in vollem Maße anerkennen, kann ich – was meine Künstlerangelegenheit betrifft. Wenn nict gerade sehr viel Rühmliches von der Welt, oder vielmehr von denen, die am Ruder stehen, sagen; und ich muß Gott auch dafür danken, daß er mir ein Herz gab, welches keiner Bitterkeit fähig, sonst wäre ich längst bitter geowrden. Es ist ja abscheulich, wie man mich darnieder zu halten sich bemüht, u. alle Riegel vorschiebt, damit ja nichts von mir aufkömmt u. gehört wird. Nun mag es sein, daß die Welt heutigen Tages anders beschlossen ist, als sie es sonst war, wo sich besseres von selbst Bahn machte; Auch wag‘s der Fall sein, daß ich persönlich diejenigen Auftritte zu thung unterlasse, die nöthig: um seinen Zweck zu erreichen. Aber was – wenn er nicht Anfänger ist – könnte es über sich vermögen, diese Schritte, diese Kniffe zu gebrauchen?! - Würde ich Ihnen alle sagen, was ich in diesem Punkte alle erfahren, - auch Sie würden diese Verachtung wo diesem unwürdigen Treiben haben, und sich dieser nicht erwehren können, so wie ich.
Diese Herren Musikdirektoren sind ja fürchterliche Menschen! - Sie können nicht glauben, wie unglücklich wie uns fühlen, meine liebe gute Frau und ich, daß Aloys diesen Stand ergriffen hat. Ein solch reiner unschuldiger argloser u. treuer Mensch wie Aloys, wie wird‘s dem noch ergehen! Jedoch, er möchte den Stand selbst, u. wollte und konnte es nicht lassen; damit muß ic mich trösten.
Was nun mein Osterfest anbelangt, da haben Sie wohl davon gehört; darf Ihnen aber – ohne die Bescheidenheit zu verletzen – sagen: daß es mit dieser Oper doch wohl nicht besser stehen mag, als selbst geneigte Kritiker sich darüber ausgesprochen haben. Lieber Himmel! was hören diese Herren bei ein oder mehr maligem Hören heraus? oder wie weit nicht auch ihr Urtheil! daß es Gott ermarme!
Und überhaupt, trotz dem ich wohl zu frieden sein darf mit dem Eindruck, den meine Oper auf Laien und nicht Laien hervorbrachte, so gelang es mir noch nicht: mein Osterfest auf einer andern Bühne zu geben oder anzu bringen!!! - Freilich, auf Bitten versteh ich mich nicht, lieber mag sie liegen. Ganz gewiß bin ich, daß Ihnen, mein hochverehrter Freund, dem ein solch Treiben gewiß eben so verächtlich ist, als2 mir ist, eine solche Klage nicht ungehört u. unberührt lassen wird, und ganz gewiß das Ihrige thun werden: daß wenigstens diese meine Oper in Cassel zur Aufführung kommen wird. Daß die Ausstellung des Osterfestes einen so ungeheuren Aufwand erfordern, ist nur geschätzt von denen, die das Empokommen der Oper zu erschweren oder zu hintertreiben sich bemühen. Man kann sie auch einfacher in Scene setzen. Und was hat man denn am Ende hier dafür gethan? u. dennoch machte sie die Wirkung, die Ihnen wohl bekannt. Oder ist‘s diese nicht, meine „Tochter der Wüste“ bedarf ja gar keine Unkosten u. Aufwand, und der Text von letzterer, die Schwetzer mögen sagen was sie wollen – ist u. bleibt schön und interessant, so wie es auch alle Unpartheiischen zu gestehen. Roderich Benedix, von dem das Sujet der Tocher der Wüste ist, kann nichts schlechtes machen. O die Partheien, namentlich jetzt hier, sind wie toll! u. wehe dem, der nicht schmiert u. mit ihnen Gemeinschaft macht. So arg, wie es jetzt hier ist, war es nie! Keine Idee haben Sie davon. Was mich aber in der Seele freute – und ich darf, ohne mir zu schmeicheln, sagen: das auch ich mein redlich Theil dazu bei getragen habe – ist: daß Ihre Zemire und Azor mehr wie je gefallen hat, und künftig gefallen wird, u. in die Herzen eingedrungen ist. Und bei diesem schönen Capitel will ich schließen, und nur noch die Bitte beifügen: mich Ihrer verehrten Frau Gemahlin angelegentlichst empfehlen und meine Angelegenheit in gutem Andenken behalten zu wollen. Vielleicht sehe ich Sie mit Aloys sehr bald in Cassel, da ich ihm die Welt zeigen will bevor er nach Italien soll. Mit hoher Verehrung bin und bleibe ich stets u. immer Ihr Sie
innigst verehrender Freund Aloys Schmitt.

Autor(en): Schmitt, Aloys
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Benedix, Roderich
Schmitt, Augusta Carolina
Schmitt, Georg Alois
Erwähnte Kompositionen: Schmitt, Aloys : Das Osterfest zu Paderborn
Schmitt, Aloys : Die Tochter der Wüste
Schmitt, Georg Alois : Trilby
Erwähnte Orte: Frankfurt am Main
Erwähnte Institutionen: Stadttheater <Frankfurt am Main>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1846021545

Spohr



Der letzte erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Schmitt an Spohr, 06.12.1844. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Schmitt an Spohr, 12.07.1849.

[1] „Theater-Telegraph“, in: Humorist 9 (1845), S. 1247; „Trilby, Oper von Georg Aloys Schmitt“, in: Didaskalia 19.01.1846, nicht paginiert; „Frankfurt am Main“, in: Allgemeine Wiener Musik-Zeitung 6 (1846), S. 34f., hier S. 35.

[2] Hier gestrichen: „es“.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (02.04.2020).