Autograf: Lippische Landesbibliothek Detmold (D-DT), Sign. Mus-h 17 S 7
Druck 1: Otto von Meysenbug, „Beiträge zur Geschichte musikalischen und theatralischen Lebens in Detmold”, in: Mitteilungen aus der lippischen Geschichte und Landeskunde 3 (1905), S. 177-204, hier S. 187
Druck 2: Gaby Vinant, Un ésprit cosmopolite au XIXe siècle. Malwida de Meysenbug 1716-1903. Sa vie et ses amis, Genf 1976, S. 70 (teilweise, franz. Übers.)

Cassel den 31sten
Dezember 1845

Hochgeehrtester Herr,

Empfangen Sie meinen besten Dank für Ihre freundliche Benachrichtigung den Erfolg der Oper betreffend. Mit Freuden habe ich aus Ihrem Schreiben ersehen, daß Ihr dortiger Künstlerverein das Werk mit Liebe und Genauigkeit eingeübt hat und daß dadurch die Theilnahme des Publicums für dasselbe gewonnen worden ist. Daß Sie sie zu solchem Eifer beseelt und angespornt haben, dafür danke ich Ihnen noch besonders. Den Wunsch der Prau von Poißl betreffend, so bezweifle ich, daß ich mich mit Erfolg in die Stimmung zurück versetzen könnte, in der ich das Werk geschrieben habe. Da dessen Tendenz ausschließlich dramatische Wahrheit ist, so würde eine Arie, die zum Zweck hätte, die Sängerin glänzen zu lassen, auch schlecht hineinpassen, überdies die Handlung aufhalten. Fehlt es in dieser Oper an eigentlichen Glanzpunkten für die Sänger nach den bisherigen Begriffen, so bietet sie ihnen dagegen Gelegenheit zum wahren Gefühlsausdruck und damit können sie sich als dramatische Sänger bewähren und die Achtung und die Teilnahme des gebildeten Teils des Publikums um so sicherer erwerben.
Mit dem Wunsche, daß Sie das neue Jahr recht vergnügt und gesund antreten mögen, mit wahrer Hochachtung ganz

der Ihrige
Louis Spohr.

Autor(en): Spohr, Louis
Adressat(en): Kiel, August
Erwähnte Personen: Poißl, Louise von
Erwähnte Kompositionen: Spohr, Louis : Die Kreuzfahrer
Erwähnte Orte: Detmold
Erwähnte Institutionen: Hoftheater <Detmold>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1845123108

https://bit.ly/

Spohr



Dieser Brief ist die Antwort auf Kiel an Spohr, 23.12.1845. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Kiel an Spohr, 13.03.1847.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (29.06.2016).

Hochgeehrtester Herr! Empfangen Sie meinen besten Dank für Ihre freundliche Benachrichtigung den Erfolg der Oper betreffend. Mit Freuden habe ich aus Ihrem Schreiben ersehen, daß Ihr dortiger Künstlerverein das Werk mit Liebe und Genauigkeit eingeübt hat und daß dadurch die Theilnahme des Publicums für dasselbe gewonnen worden ist. Daß Sie sie zu solchem Eifer beseelt und angespornt haben, dafür danke ich Ihnen noch besonders. Den Wunsch der Prau von Poißl betreffend, so bezweifle ich, daß ich mich mit Erfolg in die Stimmung zurück versetzen könnte, in der ich das Werk geschrieben habe. Da dessen Tendenz ausschließlich dramatische Wahrheit ist, so würde eine Arie, die zum Zweck hätte, die Sängerin glänzen zu lassen, auch schlecht hineinpassen, überdies die Handlung aufhalten. Fehlt es in dieser Oper an eigentlichen Glanzpunkten für die Sänger nach den bisherigen Begriffen, so bietet sie ihnen dagegen Gelegenheit zum wahren Gefühlsausdruck und damit können sie sich als dramatische Sänger bewähren und die Achtung und die Teilnahme des gebildeten Teils des Publikums um so sicherer erwerben.
Mit dem Wunsche, daß Sie das neue Jahr recht vergnügt und gesund antreten mögen, mit wahrer Hochachtung ganz
der Ihrige L. Spohr