Friedrich Wilhelm Sörgel an Louis Spohr in Kassel

Nordhausen d. 4 Dec 1845.

Hochzuverehrender Herr Capellmeister,

Es ist sonst nicht meine Art und Weise, Männer wie Sie, die von allen Seiten mit Gesuchen und Anliegen aller Art bestürmt und überlaufen werden, und deren Gefälligkeit oft auf die schwerste Weise gemißbraucht und mit Undank belohnt wird, mit Bitte zu belästigen. Da ich aber hoffe daß Sie mich nicht in die Claße der Undankbaren setzen werden, so erlaube ich mir durch die ergebenste Bitte: mir zu einer Aufführung Ihrer letzten Dinge Partitur und Orchesterstimmen gefälligst liefern zu wollen. Da die Aufführung noch vor den Weihnachtsfeiertagen Statt finden soll, so bitte ich um baldmöglichste Uebersendung ds Erbetenen; wenn Sie nämlich so geneigt seyn wollen meine ergebenste Bitte zu erfüllen. Von den Streich-Instrumenten brauche ich die 1^ste Violen 3 Mal die 2^te ebenfalls 3 Mal die Bratsche 2 Mal, den Baß 4 Mal. Sie erhalten Alles sogleich nach der Aufführung mit dem wärmsten Dank wieder zurück. An dem vergangen Sommer in Halbsterstadt Statt gehabten Sängerfeste hatte ich¹, da Musikdirektor Wolf durch Krankheit abgehalten wurde, an dessen Statt, Ihr Vaterunser zu dirigiren dürffen. Da die meisten Sänger von der Reise ermüdet waren, auch Manches nicht hinlänglich vorbereitet war, so ging dieselbe sehr schlecht, so daß ich genöthigt war von Ihrem Werke, trotz des Räsonirens der Sänger und Orchester-Mitglieder von 5 bis halb 9 Uhr zu brobiren. In der Auffürung ging wenige kleine Fehler abgerechnet alles recht gut, und Ihr Werk hat mich da sehr angesprochen. In der Erwartung der gütigen Erfüllung meiner ergebensten Bitte verharre ich mit ausgezeichneter Hochachtung Ihr

ergebenster
F.W Sörgel
Musikdirektor