Autograf: Internationale Mendelssohn-Stiftung e.V., Archiv Mendelssohn-Haus Leipzig (D-Lims), Sign. AB 25
Inhaltsangabe: Felix Mendelssohn Bartholdy, Sämtliche Briefe, Bd. 11, hrsg. v. Susanne Tomkovič, Christoph Koop und Janina Müller unter Mitarb. v. und Uta Wald, Kassel u.a. 2016, S. 552f. und 628

Sr. Wohlgeb.
Herrn Generalmusikdirector
Felix Mendelssohn Bartholdy
in
Leipzig.


Cassel den 7ten
November 1845.

Hochgeehrtester Herr und Freund,

Beykommend übersende ich Ihrem Wunsche gemäß den 3ten Akt meiner Oper, Partitur und Singstimmen, so viel ich davon besitze. Ich muß meine Hauptmann schon mitgetheilte Befürchtung wiederholen, daß die Musik im Concertsall, so lange die Oper und ihr Inhalt dem Auditorio unbekannt sind, wenig Anklang finden werde, weil die Komposition sich ganz der Handlung anschließt. Vielleicht wäre dem zum Theil vorzubezugen, wenn Sie die Güte hätten in die Textbücher einige Bemerkungen, die die Handlung erklären1 und dadurch das Verständniß der Musik dem Hörer erleichtern würden, aus der Partitur mit aufzunehmen. Auch wünschte ich sehr, daß die Orgel beybehalten werden könnte, weil Blasinstrumente nur sehr dürftig und zu großem Nachttheil der Wirkung ersetzen wür[de.] Sollte nicht in Leipzig irgend ein kleines Positiv aufzutreiben seyn?2
Ich schreibe jetzt ein Quartett-Concert für 2 Violinen, Viola und Violoncell mit Begleitung des groß[en] Orchesters, welches sich für eine Aufführung im Leipziger Concer[t] wohl eignen würde. Wenn Sie es wünschen, sende ich es Ihnen, sobal[d] ich es hier ein Mal producirt habe[.] Auch ein neues Quintett für Pianoforte und Streichinstrumente habe ich ohnlängst geschrieben. Sollten Sie Lust haben, es dort öffentlich oder privatim zu spielen, so steh[t] es jeden Augenblick zu Diensten.
Am Cäcilientage werden wir unter and[erm] auch Ihre Hymne für Sopran-Solo un[d] Chor geben und die Soloparthie wir[d] von Frl. von Schwerzel, die das Vergnügen hatte, Sie in Frankfurt kennen zu lernen, sehr vorzüglich vorgetragen werden. Diese reitzende Komposition hat uns beym Einüben schon viel Genuß gewährt.
Leben Sie wohl. Der Himmel erhalte Sie gesund. Von Herzen

der Ihrige
Louis Spohr.



Dieser Brief ist die Antwort auf Mendelssohn an Spohr, 30.10.1845. Mendelssohn beantwortete diesen Brief am 13.11.1845.

[1] „erklären“ über der Zeile eingefügt.

[2] Vgl. Spohr an Wilhelm Taubert, 07.06.1845.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (29.06.2020).