Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

Hochgeehrter Herr Spohr!

Ew. Wohlgeboren wissen sich vielleicht zu erinnern, daß ich in früheren Jahren Unterricht bei den Kindern1 Ihres werthen Hauses ertheilte, so wie Sie unzweifelhaft meinen Bruder Aloys kennen werden.
Seit einer Reihe von Jahren hier domicilirt, bin ich mit der Familie Jacobsen aus Altona, wovon der älteste Sohn2 bei Ew. Wohlgeboren Unterricht genießt, sehr intim. – Es ist dem Vater3 leider nicht möglich, für seinen In Cassel anwesenden Sohn etwas zu thun, als bereits geschehen ist, da die anderweitige Sorge für Frau und übrigen Kinder, dieses geänzlich unthunlich macht.
Vor einiger Zeit mußte der Vater dieses mit schmerzlichem Gefühle seinem Sohne comuniciren, und empfing in Folge dessen von Letzterem einen herzbrechenden Brief, worin er dem Vater auseinandder setzte, wie nothwendig es sei, noch wenigstens ein Jahr unter der leitung seines trefflichen Lehrers seine Musik-Studien fortzusetzen. – Ich kann Ew. Wohl. versichern, daß ich einen so gesetzten Briief voneinem so jungen Mann nicht erwartet hätte, und daß es mir in der Seele weh thut, wenn ich daran denke, daß er aus seiner Carriere, die eben jetzt in das Studium tritt, plötzlich heraus gerissen werden sollte. – Der Vater kann, wie ich bereits erwähnt, mit dem besten Willen nichts thun, dieses ist Fortune, daher komme ich zu Ew. Wohlg. mit der Bitte, die Sie mir als Kunstverwandten nicht übel deuten werden, die sie aus dem innigsten Mitgefühl entspringt.
Der Inhalt dieser Bitte ist, ob es nicht möglich wäre, daß Ew. Wohlg. für das letzte Jahr den Unterricht des jungen Jacobsen gratis übernehmen würde? – Ich bin es vollkommen überzeugt, daß es ein großes Opfer ist – indessen ist die Vorliebe für Musik und Kunst bei Ew. Wohlg. so reiner und edler Natur, daß ich keinen Augenblick zweifle, Ew. Wohlgeboren werden meine freundlichste Bitte erfüllen. – Gerne wir der Sohn die Verpflichtung übernehmen, in späteren Jahren bei einigermaßen anständigem Einkommen seine Schuld successive zu tilgen. –
Ew. Wohlg. haben schon manche so großmüthige Handlungsweise geüber dieser Art, daß es mir Beweis zu Gewißheit wird, daß Sie auch Ihren Schüler Jacobsen, den bewandten Umständen nach, Ihr ferneres Wohlwollen angediehen lassen werden. – Indem ich die geehrte Antwort Ew. Wohlg. erwartend bleibe, empfehle ich mich Ihnen und der werthen Familie mit der größten
Hochachtung und Liebe

Jacob Schmitt ../.

Altona den 3ten September
1845.
Langestraße No 50.

Autor(en): Schmitt, Jacob
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Jacobsen, Heinrich Adolph Friedrich
Jacobsen, Johannes
Schmitt, Aloys
Wolff, Ida
Zahn, Emilie
Erwähnte Kompositionen:
Erwähnte Orte:
Erwähnte Institutionen:
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1845090345

Spohr



[1] Die älteren Töchter Emilie, später verh. Zahn, und Ida, später verh. Wolff.

[2] Johannes Jacobsen.

[3] Heinrich Adolph Jacobsen.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (28.03.2023).