Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287
Inhaltsangabe: H[einrich] K[arl] Breidenstein, Zur Jahresfeier der Inauguration des Beethoven-Monuments. Eine actenmäßige Darstellung dieses Ereignisses, der Wahrheit zur Ehre und den Festgenossen zur Erinnerung, Bonn 1846, S. 33

Hochverehrtester Herr Capellmeister,

Ihre feste Zusage hat uns Alle mit großer Freude erfüllt, und ich beeile mich Ihnen die gewünschten Notizen zu geben.
Was zuerst die (2t) Messe betrift, so ist der Chor allerdings von einer Schwierigkeit, welcher nichts anders an die Seite zu setzen ist. Gleichwohl ist er bereit so gut einstudirt, daß Sie seinetwegen gänzlich außer Sorge seyn dürfen. Das Werk ist erst im vorigen Jahre auf dem Cölner Musikfeste aufgeführt worden u. daher dem Cölner Sängerchor, der in großer Zahl mitwirken wird, noch sehr gut bekannt, jedoch auch dort jetzt wieder auf Neue einstudirt werden. Unser Chor wird an 400 Personen zählen, das Orchester ungefähr 160-180. Zu letzterem sind, was die Blasinstrumente betrift, nur die tüchtigsten Leute aus der ganzen Provinz ausgewählt, an den Streichinstrumenten wirken eine große Anzahl Concertmeister und Vorspieler mit. Die Orchesterparthie in der Messe ist in keiner Hinsicht schwer zu nennen, vielmehr sehr einfach. Mit der Symphonie ist es freilich(?) ein Anders, aber dabei kommt uns sehr gut zu Statten, das sie ebenfalls schon 3 oder 4 mal (zulezt in diesem Jahre) auf den niederrheinischen Musikfesten ist aufgeführt worden, wobei ein großer Theil der unser Fest-Orchester bildenden mitgewirkt haben.
Von Solosängern haben wir bis jetzt nur ganz fest: Staudigl für Baß, Fln Kratky aus Frankfurt für Alt. Mit einer Prima donna sind wir auch nicht über alle Berge hinaus, haben aber jetzt Hoffnung, Fln Tuczek von Berlin zu bekommen, auch noch einige andere in petto. Für Tenor hatten wir H Tichatschek aus Dresden genommen, haben aber so eben von ihm ein Nachricht empfangen, daß die dortige Theater-Intendanz den bereits bewilligten Urlaub wieder zurückgenommen haben, weil man daselbst die Königen von England erwarte. Das sind freilich große Calamitäten, nichts muß auf die eine oder eine andre Weise gesagt werden, und wenn es nicht ein Talent ersten Ranges seyn kann, so müssen wir uns mit einem zweiten Ranges begnügen. Ein Programm sämmtlicher musik. Aufführungen lege ich Ihnen bei; ich hoffe, daß es Ihren beifall haben wird.
Ich freue mich unendlich darauf, Sie, hochwohlgeborner H. Kapellmeister wieder zu sehen. Ich habe in den hiesigen Concerten stets mit besondrer Vorliebe Ihre trefflichen Werke aufgeführt, u. im letzten Winter namentlich noch „die Weihe der Töne“, welche, da sie auch gut einstudirt war, großen Beifall fand. - Ich hoffe, Sie über das Gelingen der beiden großen Werke v. Beethoven beruigt zu haben. Wo ein solcher Dirigent und ein solches Orchester zusammen kommen, ist nichts zu fürchten. Die in Leipzig p(???) gemachten 15-201 Proben sind sicher2 Chorproben gewesen, wie Sie sich gewiß selbst überzeugen werden, sobald sie die Partitur durchlesen.
Für eine angemessene Wohnung für Sie und Ihre Frau Gemahlin wird bestens gesorgt werden. Ihre gütige Verzichtleistung auf ein Honorar wissen wir mit gebührendem Danke zu würdigen.
Genehmigen Sie freundlich die Versicherung meiner vollkommensten Verehrung, womit ich die Ehre habe zu seyn

Ihr
ganz ergebenster
Breidenstein,
Präsident des Comités.

Bonn den 25ten Juli 1845.



Dieser Brief ist die Antwort auf einen derzeit verschollenen Brief von Spohr an Breidenstein. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Breidenstein an Spohr, 24.08.1845.

[1] „15-20“ über der Zeile eingefügt.

[2] „sicher“ über einem gestrichenen Wort eingefügt.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (16.10.2017).