Autograf: Spohr Museum Kassel (D-Ksp), Sign. 1.5 <Wagner 18450716>
Abschrift: Nationalarchiv der Richard-Wagner-Stiftung Bayreuth (D-BHna), Sign. I B n S, Nr. 22
Druck 1: „Wagneriana”, in: Allgemeine deutsche Musik-Zeitung 11 (1884), S. 3f.
Druck 2: Autographensammlung Ignaz Moscheles und Reserve Alfred Bovet bestehend zum größten Teil aus wertvollen Musikmanuskripten und Musikerbriefen. Versteigerung am 17. u. 18. November 1911 (= Katalog Liepmannssohn 39), Berlin 1911, S. 140 (teilweise)
Druck 3: Richard Wagners Gesammelte Briefe, hrsg. v. Julius Kapp und Emerich Kastner, Bd. 2, Leipzig 1914, S. 164ff.
Druck 4: Autograph Letters and Historical Documents (= Katalog Maggs Bros. 551), London 1930, S. 203 (teilweise, engl. Übers.)
Druck 5: Music. Early Books, Manuscripts and Autographs (= Katalog Maggs Bros. 557), London 1931, S. 124 (teilweise, engl. Übers.)
Druck 6: Richard Wagner, Sämtliche Briefe, Bd. 2, hrsg. v. Gertrud Strobel und Werner Wolf, Leipzig 1980, S. 442f.

Dr. Louis Spohr
Kurfürstl. Hess. Hofkapellmeister
Ritter etc.
zur Zeit in
Carlsbad.
In der Apotheke zur
böhmischen Krone
 
frei
 
 
Mein hochverehrtester Meister,
 
Es ist wirklich höchst betrübend für mich daß mir das Schicksal, nachdem es mir die Hoffnung vermittelt, Sie diesmal schon in Dresden zu sehen, nun auch die Aussicht benimmt, Sie noch in Carlsbad antreffen u können! ich erfahre durch den Fürst Lubormirsky, Sie seien ganz vor Kurzem erst in Carlsbad eingetroffen, u. ich glaubte daher annehmen zu dürfen, dass Sie mindestens bis Ende dieses Monats, wo dann auch ich einige Tage Carlsbad besuchen wollte, dort verweilen würden, was zu vermuthen ich um so eher berechtigt war, da ich soeben hier vernahm, Sie würden Ihrer Cur wegen nicht nach Berlin gehen. Nach Ihrem gestern erhaltenen außerordentlich freundlichen Briefe ging ich nun heute mit meinem Arzte zu Rathe, ob ich jetzt, in der ersten Hälfte meiner Cur, die zu einem Ausflug nach Carlsbad nöthige Unterbrechung derselben wohl gestattet werden dürfte, was mir dieser jedoch so entschieden widerrieth, daß ich zu meinem herzlichsten Leidwesen meinen bereits schnell gefassten Plan zu Gunsten meiner Gesundheit aufgeben mußte. - Es ist mir ein wahrer Schmerz denken zu sollen, daß diese Gelegenheit, Sie so nahe zu wissen, sich nicht sehr bald u. zwar glücklicher wieder zeigen sollte! Ich hoffe aber immer noch auf ein von mir so sehnlich erwünschtes Zusammentreffen in Dresden, u. zwar noch in diesem Jahre. Die Verzögerung Ihrer neuen Oper in Dresden ist lediglich nur die Folge eines gewissen Repertoir-Schlendrians, u. es ist mir unbegreiflich, daß Reißiger Ihnen das nicht genau erklärt hat. Es wurde vergangene Ostern ein Repertoire für den Sommer entworfen, in welchem Ihre Oper die von Ihnen selbst gewünschte Zeitstellung erhielt, nachdem Dieses und Jenes vorher noch herausgebracht worden sein sollte!1 Weil Dieses und Jenes durch dazwischenfallende Gastspiele u. dergl. weiter hinausgeschoben wurde, glaubte Reißiger gewissenhaft zu handeln, als er Ihnen schrieb, er sehe nicht ab, wie die „Kreuzfahrer“ vor Anfang August herauskommen sollten.2 Ich erfuhr nun in einer Conferenz, daß Sie darauf geantwortet, wie Sie für diesen Fall bedauerten, bei der Aufführung in dieser Zeit nicht mehr in Dresden zugegen sein zu können.3 Dieß bestimmte Herrn v. Lüttichau definitiv, die Oper für den Spätherbst zu verschieben, um sie in dieser Zeit zur Eröffnung des Winter-Abonnements zu geben. Aus mancherlei Gründen zu Gunsten Ihres Werkes wendete ich nichts gegen diesen Plan ein, jedoch immer in der Voraussetzung, welche jedenfalls auch Herr von Lüttichau annimmt, daß es zu unserer größten Freude Ihnen möglich werden würde, für diese Zeit noch einen kleinen Urlaub zu einer Reise nach Dresden zu erhalten. In der Erfüllung dieser Voraussetzung beruht auch meine ganze Hoffnung, - möge sie nicht zu Nicht werden! - Ein heftiger Andrang des Blutes nach dem Kopfe verbietet mir leider, mich noch länger mit Ihnen zu unterhalten, bereits habe ich schon wegen der ungemeinen Flüchtigkeit meiner Zeilen um freundliche Nachsicht zu bitten: – ich mußte mich sehr beeilen um durch schnelle Beendigung meines Schreibens meinem Blute zuvorzukommen. Vergeben Sie mir daher, wenn ich schnell schließe u. Ihnen nur noch zurufe: wie meine Traurigkeit gränzenlos sein würde, wenn ich annehmen müßte, diese mir vereitelte sei die letzte Gelegenheit in dießem Jahre gewesen, Sie endlich begrüßen u. Ihnen sagen zu können, mit wie großer Verehrung und Dankbarkeit Ihnen ewig ergeben ist
 
Ihr
hochverpflichteter
Richard Wagner
 
Marienbad, 16 July 1845.

Autor(en): Wagner, Richard
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Lubomirski, Kazimierz
Lüttichau, August von
Reissiger, Carl Gottlieb
Erwähnte Kompositionen: Spohr, Louis : Die Kreuzfahrer
Erwähnte Orte: Berlin
Dresden
Karlsbad
Erwähnte Institutionen: Hoftheater <Dresden>
Königliche Schauspiele <Berlin>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1845071643

Spohr




Dieser Brief ist die Antwort auf Spohr an Wagner, 14.07.1845. Der nächste überlieferte Brief dieser Korrespondenz ist Spohr an Wagner, ab 25.03.1846.
 
[1] Vgl. August von Lüttichau an Spohr, 03.06.1845.

[2] Dieser Brief ist derzeit verschollen.
 
[3] Dieser Brief ist derzeit verschollen.
 
Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (31.08.2017).