Autograf: derzeit verschollen
Abschrift: Niedersächsisches Landesarchiv Wolfenbüttel (D-Wa), Best. 299 N Nr. 157 (vgl. Arcinsys, dort verschwunden; Mikrofilm in D-Ksp)
Druck: [Paul Zimmermann], „Louis Spohr und Braunschweig“, in: Braunschweigisches Magazin (1909), S. 109-117, hier S. 113f.

Bremen, den 1sten Juli 1845.
 
Lieber Wilhelm
 
Ein heftiger Krankheitsanfall meines alten Übels hat alle meine schönen Pläne für dieses Jahr zurstört.1 Ich muß von hier in der möglichst kürzesten Zeit nach Carlsbad eilen, um dort vor Ablauf der Ferien noch eine 3wöchentliche Kur gebrauchen zu können. Die Reise nach Berlin und die Direktion meiner Oper daselbst habe ich aufgeben müssen u. bereits abgeschrieben. Ich bin nun soweit hergestellt, daß ich morgen die Rückreise antreten kann. Das Dampfschiff bringt uns morgen bis Minden. Übermorgen gedenken wir Hildesheim zu erreichen, u. werden daher Freitag gegen Mittag bei Euch eintreffen. Den Sonnabend früh gehen wir mit unserm Wagen auf die Eisenbahn, fahren auf ihr so weit sie uns die die Nähe von Carlsbad bringen kann, u. hoffen daher Sonntag Abend am Ziel unserer Reise einzutreffen. Du würdest mich verbinden, wenn Du so gut wärst, Dich vorläufig zu erkundigen, wie weit die Eisenbahn über Altenburg jetzt schon befahren wird? Es ist uns schmerzlich nur einen halben Tag bei Euch verweilen zu können, ich bin aber so von Kräften gekommen, daß ich doch zu nichts zu gebrauchen wäre. Ich bitte Dich daher auch meine Ankunft geheim zu halten, damit wir die kurze Zeit recht ungestört mit Euch verleben können. Der Aufenthalt in Oldenburg begann so schön! Die Musikaufführung in der mit Blumen reich geschmückten Reitbahn war so gelungen, daß ich rechte Freude daran hatte, obgleich meine Schmerzen schon während der Musik begannen. Kaum war ich aber in die Wohnung zurückgekehrt, so mußte ich zu Bett und am Abend, während wir von der Kapelle, den fremden Künstlern, dem Gesangverein, Liedertafel usw. ein Ständchen u. Fackelzug gebracht wurde, lag ich in solchen Krämpfen, daß ich glaubte den Geist aufgeben zu müssen. Der Großherzog, der mich nach seinem Sommerschloß zur Tafel hatte einladen lassen, schickte mir, mit einem verbindlichen Schreiben2, einen werthvollen Ring mit Namenszug u. Krone in schönen Brillanten.3 Kurz man eiferte so allgemein, uns den Aufenthalt dort angenehm zu machen, daß wir ohne die leidige Krankheit [es] dort bis zum Ende unseres Aufenthaltes höchst vergnügt gehabt haben würden.
Einer Aufforderung hier in Bremen die Jessonda zu dirigiren kann ich nun auch nicht Folge leisten4, weil wir keinen Tag für Carlsbad verlieren dürfen. Doch von all diesem mündlich ein Mehreres. Die herzlichsten Grüße von Marianne u. mir an die lieben Deinigen. Auf ein fröhliches Wiedersehn!
Von Herzen Dein Dich liebender Bruder
 
Louis Spohr.

Autor(en): Spohr, Louis
Adressat(en): Spohr, Wilhelm
Erwähnte Personen: August I. Oldenburg, Großherzog
Erwähnte Kompositionen: Spohr, Louis : Jessonda
Erwähnte Orte: Altenburg
Braunschweig
Bremen
Hildesheim
Karlsbad
Minden
Oldenburg
Erwähnte Institutionen: Hofkapelle <Oldenburg>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1845070100

Spohr



Der letzte erhalte Brief dieser Korrespondenz ist Louis Spohr an Wilhelm Spohr, 09.08.1844. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Louis Spohr an Wilhelm Spohr, 16.05.1846, aus dem sich noch ein derzeit verschollener Brief von Wilhelm Spohr an Louis Spohr erschließen lässt.

[1] Vgl. Marianne Spohr, Tagebucheintrag 26.06.1845.
 
[2] Dieser Brief ist derzeit verschollen.
 
[3] Vgl. Marianne Spohr, Tagebucheintrag 28.06.1845.
 
[4] Vgl. Spohr an Albert Toepken, 28.06.1845.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (16.08.2017).