Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

Monsieur
Monsieur Dr. Spohr
maître de chapelle
à
Cassel
en Allemagne

franco destination1


Genf den 4ten Juni 1845.

Hochverehrtester Herr Kapellmeister!

Mit Ihrem lieben Briefe haben Sie mir eine so große Freude gemacht daß ich mich recht glücklich fühle. So viele Güte, so viele Hoffnung hat meiner Thätigkeit neues Leben gegeben und mit gestärktem Muthe fahre ich fort zu arbeiten. Auf vollem Herzen danke ich Ihnen für Ihren Trost und für diese Güte und ich werde alles thun, um sie mir immer mehr zu verdienen und zu erhalten. Mit eben so großer Freude habe ich von Ihren neuen Werken gelesen die mir ein Beweiß Ihres vollen Wohlseins sind! Könnte ich doch je etwas hervorbringen, was nur einer Composition von Ihnen gliche und das ich Ihnen dediziren könnte, ich würde mich überglücklich halten! Allein das ist ein eitler Wunsch! Sie stehen ja hoch über andern Sterblichen, so daß ein bloßer Versuch von mir Tollheit zu nennen wäre.
Die Hindernisse die Ihnen der Kurprinz2 in den Weg legt auf so interessante Reisen zu verzichten u überhaupt einen solchen Gebrauch von Ihrem Leben zu machen und zu wirken wie Sie möchten, sind aber so unwürdig von einem Fürsten, als sie von einem kleinlichen Caracter zeugen. So etwas kann nur in Cassel geschehen, denn man kennt sie in der ganzen Welt, nur nicht in Cassel. Sie haben dieses mit vielen andern großen Geistern gemein, die man überall kennt nur nicht da wo sie leben. Trösten Sie sich, die Geschichte wird richten! –
In der Augsburger Allgemeinen Zeitung, die einzige Deutsche die man hier zu lesen bekommt, habe ich einen Aufsatz3 über eine Preisaufgabe: die Composition einer Concert-Arie für Mezzosopran gefunden. Da kein besonderer Text beigefügt ist und ich hier durchaus keinen bekommen kann, wohl aber große Lust habe eine solche Arie zu componiren, niacht aber mich um den Preis zu bewerben, wozu ich mich doch zu schwach glaube: so habe ich die Bitte hochverehrtester Herr Kapellmeister ob Sie nicht durch Herrn Schulze oder Görtelmeier4 mir einen passenden Text zu kommen lassen würden und mir zugleich über die Form und Ausführung Ihre Bermerkungen beifügen ließen. Ich wage es nicht Ihre Güte in dieser Hinsicht derart in Anspruch zu nehmen. Auch bitte ich Sie, im Fall ich die Arbeit für so gut halten sollte einzusenden, nicht zu glauben, ob Sie als Preisrichter mit bezeichnet sind, daß ich in dieser Hinsicht den Wunsch hege, sie günstig zu beurtheilen. Ich ehre zu sehr Ihre Unpartheilichkeit, als daß ich irgend eine Hoffnung daran knüpfte, wenn Sie die Arie durch den Text erkennen sollten.
Meine innigsten Wünsche begleiten Sie auf Ihrer Reise und wohl möchte ich Zeuge Ihres Triumphes sein!
Von Ihrer gütigen Erlaubniß Ihnen von Zeit zu Zeit Nachricht von mir geben zu dürfen, werde ich Gebrauch machen. Sie ist mir ein neues Zeichen Ihres Wohlwollens das zu erhalten mein stets bestreben sein wird. Wie Sie doch so gut und edel sind! Wie oft habe ich das schon erfahren, ohne Ihnen mehr als die armen Worte: „Ich verehre und liebe Sie“, sagen zu können, das ists was mich schmerzt.
Leben Sie wohl Herr Kapellmeister und empfangen Sie meine allerherzlichsten Wünsche für Ihr Wohl mit meiner gehorsamsten Empfehlung an Frau Kapellmeister

von Ihrem dankbaren
Ferd. Böhme.

Autor(en): Böhme, Ferdinand
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Friedrich Wilhelm Hessen-Kassel, Kurfürst
Görtelmeier, Heinrich
Schulze, Louis
Erwähnte Kompositionen:
Erwähnte Orte:
Erwähnte Institutionen:
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1845060440

Spohr



Dieser Brief ist die Antwort auf Spohr an Böhme, 14.05.1845. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Böhme an Spohr, 21.11.1845.

[1] Rechts oben neben dem Adressfeld befindet sich der Poststempel „GENEVE / 8 / JUIN / 45“; links neben dem Adressfeld der Stempel „P.P.“.

[2] Der spätere Kurfürst Friedrich Wilhelm.

[3] Die Veröffentlichung in der Augsburger Allgemeinen Zeitung ist noch nicht ermittelt. Vgl. aber „Preisausschreiben“, in: Zeitschrift für Deutschlands Musikvereine und Dilettanten 4 (1845), S. 311f.

[4] Möglicherweise die Kasseler Hofmusiker Louis Schulze und Heinrich Görtelmeier?

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (22.09.2020).