Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. hist. litt. 15[195,24

Professor Taylor.
Red Lion Court, Fleet Street
Printing office
London.
 
franco.
via France
 
 
Cassel den 28sten
Mai 1845.
 
Mein geehrter Freund,
 
Schon längst hätte ich Ihnen für alle die schönen Sachen, die Sie uns wieder geschickt haben, unsern Dank aussprechen sollen; doch verschob ich es, um diese erst ein wenig näher kennen zu lernen. Dieß ist nun geschehen und mit großem Genuß. Freilich müßte ich, um ganz in die Schönheiten des King Arthur1 eindringen zu können, die Sprache verstehen und Ihre, gewiß höchst belehrenden Vorbemerkungen lesen können. Doch auch ohne dieses hat mir das Durchlesen der Partitur einen großen Genuß gewährt. Welch ein Unterschied zwischen einer solchen und einer modernen französischen Partitur!! Auch die 3 Bände2 der Volksmusik habe ich mit wahrer Freude durchblättert und mich dabey lebhaft unsers fröhlichen Aufenthalts in England und unserer gemeinschaftlichen interressanten Reise erinnert. Für die gütige Mittheilung derselben sage ich Ihnen und Herrn Turle noch in‘s besondere meinen herzlichsten Dank.
Aus dem Briefe3 Margarethens, womit sie mich an meinem Geburtstage erfreuete, wußten wir leider schon, daß lhre würdige Gattin jezt so sehr leidend ist und haben uns tief darüber betrübt. Wir geben uns aber der Hoffnung hin, daß die mildere Jahreszeit günstig auf ihr Befinden einwirken wird und daß es ihnen dann doch noch möglich seyn werde, uns zu besuchen, O machen Sie uns die große Freude im August oder September auf einige Zeit zu uns zu kommen! Wir wollen alles aufbiethen, um Ihnen den Aufenthalt möglichst genußreich zu machen. Besonders will ich Ihnen alles von Musik vorführen, was Sie interressiren kann. Auch Ausflüge in die schöne Umgebung wollen wir machen und da das Frühjahr so kalt und trübe war, so ist zu hoffen, daß der Herbst recht schön seyn werde. Erfreuen Sie uns recht bald mit der Zusage Ihres Besuchs.
Während der Ferienzeit werde ich in Dresden und Berlin die ersten Aufführungen meiner neuen Oper4 leiten. Ich bin nun sehr gespannt zu sehen, ob sie dem großen Publikum jener Städte gefallen wird. Bey dem ganz verwilderten Geschmack, der jezt leider auch in Deutschland beym Theaterpublico vorherrscht, bin ich nicht ohne Besorgniß, daß man sie zu einfach finden werde. Das, was jetzt gewöhnlich die Hände in Bewegung setzt, Rouladen, triviale Melodien und Tanzrhytmen fehlen in meiner Oper ganz und es ist nur die Wahrheit des Ausdrucks und das Dramatische der Musik, was den Hörer mit fortreißen kann. Hier geschah dieß; wird es aber auch dort geschehen? - Der Clavierauszug der Oper ist jezt in Arbeit und von 2 Akten habe ich bereits die Correktur besorgt. So wie er erschienen ist werde ich Ihnen ein Exemplar senden.
Fräulein Horsley ist jezt hier zum Besuch bey Frau von Malsburg und hat5 noch manche unserer Musikparthien gehört, die nun aber mit dem Frühjahr verstummt sind. Unter andern, ihr noch unbekannten Kompositionen von mir, habe ich ihr auch ein neues Quintett für Streichinstrumente zu hören gegeben, welches ich ohnlängst erst geschrieben habe.
Einliegendes Briefchen meiner Frau an Margarete ist offen geblieben damit Sie es auch lesen können. Nun bitte ich noch um die herzlichsten Grüße an alle die Ihrigen und wünsche von Herzen, daß Sie uns bald gute Nachricht über das Befinden Ihrer Frau Gemahlin geben können.
Mit wahrer Freundschaft stets ganz
 
der Ihrige
Louis Spohr.
 
NS. Vor ein paar Tagen erhielt ich vom Herzog von Meiningen einen Orden zugeschickt. Um ihn tragen zu dürfen, muß ich nun aber erst die Erlaubniß des Prinzen einholen.

Autor(en): Spohr, Louis
Adressat(en): Taylor, Edward
Erwähnte Personen: Bernhard II Sachsen-Meiningen, Herzog
Horsley, Sophie
Taylor, Margaret
Turle, James
Erwähnte Kompositionen: Purcell, Heny : King Arthur
Spohr, Louis : Die Kreuzfahrer
Erwähnte Orte:
Erwähnte Institutionen: Hoftheater <Dresden>
Königliche Schauspiele <Berlin>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1845052804

Spohr



Dieser Brief ist die Antwort auf Taylor an Spohr, 17.04.1845. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Taylor an Spohr, 01.10.1845.
 
[1] Vgl. Henry Purcell, King Arthur. An Opera in five Acts, hrsg. v. Edward Taylor, London 1844.
 
[2] Bd. 1 A Collection of Psalm and Hymn Tunes [...], Bd. 2 Sacred Music [...], Bd. 3 Songs, Duets, Trios, Glees, Madrigals [...], hrsg. v. James Turle und Edward Taylor, London 1844.
 
[3] Noch nicht ermittelt.
 
[4] Die Kreuzfahrer.
 
[5] „hat“ über der Zeile eingefügt.
 
Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (30.01.2019).