Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287
Wohlgeborner Herr,
Geehrtester Herr Hof-Kapellmeister!
Im Vertrauen auf Ihre mir gegenüber oft bewiesene Güte und Freundlichkeit, erlaube ich mir, eine gehorsamste Bitte Ihnen vorzutragen, an deren geneigter Erfüllung viel für mich abhängen dürfte.
Da jetzt durch den Tod des Cantors Dr Beck, die Stelle eines Universitäts-Conzertmeisters erledigt ist und ich zu Erlangung dieses Amtes ein Gesuch an den academischen Senat einzureichen im Begriff stehe, so erscheint es mir bei der Nothwendigkeit auch über meine frühere musikalische Ausbildung einiges anzugeben, sehr rathsam darüber noch besonders Zeugnisse beizulegen. Ich wage daher die Bitte an Sie, hochverehrter Herr Kapellmeister mir Ihre etwaige Meinung über meine Befähigung zu einer solchen Stelle und über mein Verhalten während meines Aufenthaltes in Cassel, in Form eines Zeugnisses, geneigtest ausstellen zu wollen.
Wenn ich es hierbei noch ferner wage Sie in anderer Weise zu belästigen, so muß ich sehr um Entschuldigung bietten, und ersuche Sie sehr um Ihre gütige Nachsicht. Da nehmlich im Monate Juli, dahier ein Musikfest1 abgehalten werden sollen dessen Hauptfeier namentlich ein Kirchenconzert sein wird, so haben die verschiedenen Vereine sich in dem Wunsch vereinigt Ihr Vaterunser (von Klopstock) darin zur Aufführung zu bringen. Nun ist uns schon durch Herrn Director Koch2 der Clavierauszug desselben, mit Ihrer gütigen Erlaubniß, abschriftlich zugekommen. Da wir aber gern das Werk mit vollständigem Orchester aufführen mögten so wollte ich die Anfrage und zugleich die Bitte an Sie wagen, ob Sie geneigt wären, mir zu diesem Zwecke die Partitur nebst Orchesterstimmen auf kurze Zeit leihen zu wollen.
Was die Anzahl der Sänger betrifft, so werden nach den eingelaufenen Zusagen für das Fest etwa 500{3] derenselben Theil nehmen, worunter sehr brave Vereine sich befinden, so z.B. Wetzlar, Gießen, Frankfurt, Offenbach etc. Das Orchester bilden die in Wetzlar und Gießen bestehende Militairmusiken, so daß auch in dieser Beziehung4 etwas zu erwarten steht.
Dürften wir bei diesem Feste nur um Entferntesten der Hoffnung uns hingeben dasselbe durch Ihre Gegenwart verherrlicht zu sehen, so würde gewiß der innigste Dank der ganzen Stadt, welche sich eine möglichst würdige Ausfürhung des Festes sehr angelegen sein läßt, so wie der allen, für Musik und Kunst begeisterten Einheimischen und Freunde, nicht fehlen.
Indem ich nochmals wegen der Ihnen verursachten Belästigung mich entschuldige, bitte ich den Dank für Ihre gütige Bemühungen, im Namen der Vereine und meiner selbst, im Voraus entgegen nehmen zu wollen und verharre mit der vollkommensten Hochachtung
Hochverehrter Herr Hof-Kapellmeister
ganz ergebenster
J.C. Peter
Gymnasialgesanglehrer
Marburg, am 19. April
1845.
Autor(en): | Peter, Johannes |
Adressat(en): | Spohr, Louis |
Erwähnte Personen: | Beck, Nicolaus Koch, Elias |
Erwähnte Kompositionen: | Spohr, Louis : Vater Unser, WoO 70 |
Erwähnte Orte: | |
Erwähnte Institutionen: | Musikfeste <Marburg> Universität <Marburg> |
Zitierlink: | www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1845041946 |
Spohrs Antwortbrief ist derzeit verschollen.
[1] Zum Gesangfest 19.-21.07.1845 vgl. „Marburg, 13. Juli“, in: Didaskalia 18.07.1845, nicht paginiert; „Das Gesangfest zu Marburg am 19., 20. und 21. Juli“, in: ebd. 29.07., nicht paginiert und 30.07.1845, nicht paginiert; „Sängerfeste“, in: Allgemeine musikalische Zeitung 43 (1845), Sp. 558.
[2] Dirigent der Kasseler Liedertafel.
[3] Hier zwei Buchstaben gestrichen?
[4] Hier gestrichen: „auch“.
Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (11.08.2021).