Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

Catlenburg am 10ten April 1845.

Mein innigst verehrtester Freund und Gönner!

Mein guter Amtmann Knipping hat sich durch den vorgestrigen Reifensteiner Wochen-Bothen in Betreff der nicht realisirten Lampen-Sendungs-Order unter Verlegung der Original-Correspondenz mit der von ihm für das kürzeste erachtete Mühlhauser Niederlage-Handlung dahin legitimirt, daß diese zuerst bestimmt in Aussicht gestellt hatte, ihm pünktlich zum 2t April seine Bestellung zur Abholung wohl verpackt bereit zu halten, und erst mittels des Abholungs-Bothen dann erklärte, daß die Schnee- und Wasser-Absperurungen allen Verkehr also derangirt hatten, daß sie nun erst nach der Leipziger Messe der Bestellung genügen könnten; in dem aller Berliner Vorrath dahin dirigirt sey! –
Auf diese Weise war Knipping, – was ich ihm zum eigentlichen Vorwurfe machte, – abgehalten geblieben, rechtzeitig, d.h. schon vor 4 Wochen, als ich die Bestellung gemacht hatte, die Realisirungs-Unthunlichkeit mir anzuzeigen. –
So ärgerlich mir diese getäuschte Hoffnung dort nun auch war: so ist doch auch darauf am Ende der famose Trostgrund anwendbar: „Wer weiß, wozu es gut ist!“ – indem neuerlichst in jener Niederlage-Handlung doch auch Unterschiebungen nachgemachter Lampen dieser Art vorgekommen seyn sollen, deren geringere Qualität erst späterhin zu Tage gekommen ist; – und ich habe daher, nach erhaltener Adresse, nun die Stobwassersche Fabrik in Berlin unmittelbar veranlasst, diese ihre resp. Erfindung und Verbesserung eines so wesentlichen Apparates des winterlichen Studien-Tisches Ihnen damit zugehen zu lassen. –
Da das von Reifenstein zurückgekommenen am 22t v.M. dahin gesandte Begleitschreiben1 zugleich eine kleine Instruction für die Zusammensetzung der Lampe pp enthält: so lege ich es, – post- und praenumerando zugleich!, – hier an; unter innigst herzlichster Wiederholung aller darin ausgedrückten wärmster Dankgefühle und guter Wünsche! –
Erhalte ich nicht noch Gegen-Order von Ihnen, mein verehrtester Freund! oder in Ihrem Auftrage durch August Kömpel: so darf ich bis jetzt noch der Hoffnung mich überlassen, mit der Dienstags-Nachmittags-Post bereits zum „Fliegenden Holländer“, am 15t, dort einzutreffen. –
Hoffentlich haben Sie zum Schlusse des 1sten Theiles des Concertes noch eine Symphonie gewählt! – und wäre unter den Ihrigen dafür keine in erforderlicher Kürze herauszufinden: so wäre die Mozartsche g moll Symphonie, – die ich sicher seit 35-40 Jahren nicht hörte! – allerdings höchst interessant! –
Mir scheint, das Programm wäre nicht überladen, wenn es z.B. im 1st Theile die Kraushaarige Ouvertüre, – des genialen Jean Bott Concert, – Ihre Schill‘s-Cantate, – und die, nach früherem Style und Geschmacke noch kürzere, Mozartsche Symphonie, – und im 2ten Theile denn Ihr mich zum höchsten spannendes und anziehendes Klopstocksches „Vater-Unser“ brächte!2
Wenn auch dieses letztere allein schon völlig hinreichen würde, auch die Reise befriedigt machen zu lassen, so dürfte jene Zusammenstellung, noch dazu dieses Abschieds-Concertes für diese Saison, doch auch nicht überladen genannt werden dürfen! – Und auch Ihnen Selbst bringt ja Mozart stets Freude und Genuß! –
Ihnen wie Ihrer theuren Frau Gemahlin mit meiner Frau herzlich dankbar dem einstweilen mich empfehlend, innigst

Ihr wärmster Verehrer
CFLueder.

N.S. Könnte ich in der Wirklichkeit doch fliegen wie im Traume! – um Morgen in der Frühe an Ihrer so freundlichen Begrüßung u Beglückwünschung der so liebenswürdigen edlen Frau Theil nehmen zu können!! – In Gedanken werde ich den ganzen Tag über dort seyn! –



Der letzte erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Lueder an Spohr, 28.03.1845. Der nächste erschlossene Brief dieser Korrespondenz ist Spohr an Lueder, 02.05.1845.

[1] Lueder an Spohr, 20.03.1845.

[2] Zum Programm des Konzerts am 16.04.1845 vgl. Otto Kraushaar, „Cassel, im Juni 1845“, in: Allgemeine musikalische Zeitung 47 (1845), Sp. 505-509, hier Sp. 505f.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (24.06.2021).