Louis Spohr an Emil Drescher in Marburg

Sr. Wohlgeb
Herrn Emil Drescher
Studiosus
in
Marburg.

frei.


Cassel den 31^sten
März 1845.

Hochgeehrter Herr,

Ihr liebes Schreiben habe ich mit der innigsten Theilnahme für den armen Kühmstedt gelesen und von ganzem Herzen wünsche ich, es böte sich mir eine Gelegenheit dar, ihm durch Empfehlung zu einem andern, ihm mehr zusagenden Wirkungskreise verhelfen zu können. Dazu ist aber leider wenig Aussicht vorhanden, da sich jetzt zu jeder erledigten Stelle eine ganze Masse von Bewerbern meldet. Daß ich gern wenn ihm aber eine Kunde von einer Vakanz wird, durch Empfehlung und Atteste mein Möglichstes beyzutragen suchen werde, daß ihm eine solche Stelle bewerde, brauche ich wohl nicht erst zu versichern; bey der ungewissen Aussicht auf günstigen Erfolg wäre es aber gewiß gut, wenn er alles aufböte um das drückende und peinliche seiner jetzigen Stellung zu entfernen; wenn er¹ versöhnliche Schritte thäte statt durch Anklagen es auf die äußerste Spitze zu treiben. Auch mögte ich ihm rathen sich in seinen Nebenstunden in interressante litterarische und musikalische Arbeiten zu vertiefen, um das ihm Unangenehme in seiner Stellung möglichst zu vertgessen. Durch eine solche Thätigkeit könnte er auch sicher seine pecuniären Verhältniße verbessern. Sie als sein specieller Freund sollten ihm solches und ähnliches rathen und vor Alllem seinen Muth wieder aufrichten. Ein Mann von so vielem Geist und Wissen wie er darf nie verzweiflen!
Schreiben Sie ihm, so bitte ich um herzliche Grüße und versichern Sie ihm in meinem Namen, daß ich bey vorkommender Gelegenheit gern alles aufbieten werde, um ihm gefällig und nützlich zu seyn.
Mit vorzüglicher Hochachtung

Ihr
ergebenster
Louis Spohr