Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

Hochgeehrtester Herr Kapellmeister!

Zu Ihrem Gebutstage sende ich Ihnen meine allerherzlichsten Glückwünsche. Möchten Sie doch zur Freude der Ihrigen und der gesammten musikalischen Welt recht lange fortsehen zu wirken wie bisher u Meisterwerke der Unsterblichkeit zu schaffen! Dieß ist ein Wunsch der mit mir so viele in diesem Tage empfinden, denen Ihre Güte zu Theil wurde u die die Gewalt Ihres Geistes erkannt haben. –
Daß Sie in den verflossenen Ferien in Paris waren, dass man Ihnen im Conservatorium Ihre 4te Symphonie1 gespielt hat, dieselbe die ich in Partitur von Ihnen zum Geschenk erhalten habe, las ich in den Zeitungen. Ferner daß Sie eine neue Oper, die Kreuzfahrer, zu der Frau Kapellmeister den Text geschrieben, componirten, habe ich ebenfalls erfahren. Außerdem habe ich leider nicht viel über Musik aus Deutschland erfahren, als was mir Briefe spärlich mittheilen und eingehende Zeitungsnachrichten. Denken Sie sich daher meine Freude wenn ich etwas über Sie lese oder erfahre.
Über mich kann ich Ihnen wieder sehr wenig mittheilen. Meine Stellung hier ist weder gut noch schlecht. Ich suche mir so nützlich wie möglich zu machen u wende meine Zeit so gut an, als ich immer kann. 2 Ouvertüren, mehrere Violonsolo u eine Menge französischer Kompositionen(???) ist alles was ich in diesem Jahre habe herausbringen können u war mit Musik u der französischen Sprache meine gänzliche Beschäftigung.
Bei der jetzigen kritischen Lage der Schweiz glaube ich einen längeren Aufenthalt hier(???) sehr nachttheilig für mich. Ein 3jähriger Aufenthalt hat mir die Überzeugung gegeben, daß ich schwerlich einen Platz der meine geringen Bedürfnissen entspricht, finden werde. Ich erlaube es mir daher Sie recht sehr zu bitten an mich denken zu wollen, wenn sich ein Platz für mich finden sollte.
Wie schmerzlich es für mich ist, mich Ihrer Güte gegenüber bis jetzt so wenig dankbar erzeigen zu können, darf ich wohl aussprechen. Wenn es Ihnen eine Freude ist Gutes zu thun, so ist es auch eine Freude dankbar zu sein, u die Hoffnung es dereinst sein zu können, ist jetzt der Stab auf den ich mich stütze. Dürfte ich hoffen von Ihnen ein aufmunterndes u kräftiges Wort zu erhalten, wie sehr bedarf ichs! Ich erlaube es mir Ihnen meine Adresse beizufügen: Ferdinand Böhme par Monsieur Lambert Marchand de Musique à Genève. Könnte ich doch die Zuneigung Ihres Vaters auch von Ihnen erbeten, wie glücklich würde sie mich machen! Sein Sie ferner großmüthig mit mir. Ich wünsche keinen Vorzug vor Würdigern, nur ein Plätzchen in Ihrem Gedächtniss u ein aufmunterndes Wort. Verlange ich zu viel – so will ich mich bescheiden – nie aber aufhören Sie zu verehren u zu lieben. An Frau Kapellmeister meine gehorsamste Empfehlung.
Für Ihr Wohl Herr Kapellmeister meine allerherzlichsten Wünsche.

Ferdin. Böhme

Genf den 30ten März 1845.

Autor(en): Böhme, Ferdinand
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Spohr, Carl Heinrich
Spohr, Marianne
Erwähnte Kompositionen: Böhme, Ferdinand : Ouvertüren
Spohr, Louis : Die Kreuzfahrer
Spohr, Louis : Die Weihe der Töne
Erwähnte Orte: Genf
Paris
Erwähnte Institutionen: Conservatoire <Paris>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1845033040

Spohr



Der letzte erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Böhme an Spohr, 02.04.1844. Spohr beantwortete diesen Brief am 14.05.1845.

[1] Die Weihe der Töne.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (22.09.2020).