Autograf: Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung mit Mendelssohnarchiv (D-B), Sign. N.Mus.Nachl. 97, V/96
Druck: Giacomo Meyerbeer, Briefwechsel und Tagebücher, Bd. 3, hrsg. v. Heinz Becker und Gudrun Becker, Berlin 1975, S. 572f.

Cassel den 9ten
März 1845.

Mein verehrter Freund,

Nie kann ich Ihnen genug danken, daß Sie so eifrig bemüth sind, die Hinderniße aus dem Wege zu räumen, die der Aufführung meiner Oper in Berlin in der von mir gewünschten Zeit im Wege stehen könnten, denn wirklich müßte ich auf die Freude, dabey gegenwärtig zu seyn, verzichten, wenn diese nicht vor Ende Juli stattfinden könnte. An eine Verlängerung meines Urlaubs oder an einen solchen außer der Ferienzeit ist leider nach den, von mir gemachten Erfahrungen, nicht zu denken! Doch hoffe ich, es wird die Oper sich auch ohne Frl. Tuczeck besetzen lassen, da Frl. Marx, die ich in Dresden gehört habe, sich ganz für die erste Parthie, (die der Emma,) eignet. Die Parthie der Äbtissin, allerdings auch im Gesang und Spiel bedeutend, wird gewiß von einer der beyden genannten Damen, Frau von Faßmann oder Frl. Hähnel übernommen werden können, vorausgesetzt, daß die Höhe der letzteren in starken, leidenschaftlichen Stellen bis zum as [Nbs.] reicht. Die beyden andern weiblichen Parthien, Fatima und die Pförtnerin werden sich leicht besetzen lassen, da sie unbedeutend sind, doch gewinnt die Oper sehr, wenn erstere einer hübschen jugendlichen Sängerin zuertheilt werden kann.
Damit Sie, mein verehrter Freund, über die Besetzung besser urtheilen können, die wegen der zahlreichen männlichen Parthien bey manchem Theater wohl Schwierigkeiten haben wird, sende ich Ihnen das Buch, in welchem ich nach dem Personenverzeichniße die Stimmlage bemerkt habe. Anführen will ich noch, daß für keine der Parthien Kehlfertigkeit erforderlich ist, wohl aber gute Deklamation, gefühlvoller Vortrag und deutliche Aussprache des Textes. In je bessere Hände die kleinen Parthien gerathen, um so größer ist natürlich der Effekt der Oper; ich werde daher den Sägern, die eine dieser Parthien übernehmen, ohne dazu verpflichtet zu seyn, im höchsten Grade dankbar seyn.
An Herrn General-Intendant von Küstner werde ich schreiben, wenn ich ihm (vor Ende dieses Monaths) die Partitur der Oper übersende.1 Darf ich Sie wohl bitten, ihn vorläufig von mir herzlichst zu grüßen und ihm meinen Dank für seine Bereitwilligkeit, auf meine Wünsche einzugehen, darzubringen.
Ihre beabsichtigte Reise wird Sie doch hoffentlich nicht über die Mitte des Juli von Berlin entfernt halten und mir die Freude zu Theil werden, Sie nach so langer Zeit einmal wieder zu sehen!
Mit den Gefühlen inniger Freundschaft und Dankbarkeit ganz

der Ihrige
Louis Spohr

Autor(en): Spohr, Louis
Adressat(en): Meyerbeer, Giacomo
Erwähnte Personen: Faßmann, Auguste von
Hähnel, Amalie
Marx, Pauline
Tuczek, Leopoldine
Erwähnte Kompositionen: Spohr, Louis : Die Kreuzfahrer
Erwähnte Orte: Berlin
Dresden
Erwähnte Institutionen: Hoftheater <Dresden>
Königliche Schauspiele <Berlin>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1845030913

Spohr



Dieser Brief ist die Antwort auf Meyerbeer an Spohr, 05.03.1845. Meyerbeer beantwortete diesen Brief am 26.03.1845.

[1] Dieser Brief ist derzeit verschollen.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (04.05.2018).